In Sachen Plus Size Mode hat sich in den letzten Jahren wirklich einiges getan – das behaupte ich nicht nur, weil ich beim Schreiben aus dem Augenwinkeln meinen Kleiderschrank sehe, der vor hübschen Teilen geradezu überquillt (und nein, ich beschwere mich nicht). Zwar sieht es in Wien in Sachen Plus-Shops mit ein, zwei Ausnahmen immer noch eher trüb aus, Online-Versandhäuser aber haben ihr Sortiment inzwischen kräftig erweitert und bieten bestellfrohen Fashionistas eine feine Auswahl.
Wer sich beim Trend zur Mode mit mehr allerdings immer noch in tiefster Schlafphase befindet, sind die Frauenzeitschriften. Blöd für Curvies auf der Suche nach Stylingtipps und textiler Inspiration, denen dann nur das Surfen auf Blogs bleibt. Allerdings haben einige Versandhäuser diese modische Misere erkannt, und bieten ihren kräftigeren Kundinnen digitale Fashionratgeber an – als Seiten in Rahmen der Homepage, eigene Blogs oder per Social Media.
Eine der ausführlicheren Styling-Tipp-Seiten hat der Otto-Versand online gestellt, der seine Modetipps für Mollige auch als PDF-Download anbietet. Und auch wenn bei Tipps und Präsentation durchaus noch ein paar Verbesserungen möglich wären, geht der Ratgeber schon durchaus in die richtige Richtung.
Sehr positiv ist zuerst einmal, dass sich das Otto-Team Hilfe von zwei der bekanntesten Plus-Bloggerinnen im deutschsprachigen Raum gesucht hat. Cecile und Claudia verbindet ihr geschicktes Händchen in Sachen Stil und Styling, gleichzeitig ist der Geschmack der beiden unterschiedlich genug, um Abwechslung zu bieten.
Der Ton der Otto-Modetipps ist durchaus kurvenfreunlich. „Weibliche Rundungen sind ganz natürlich und sollten nicht weggehungert werden, nur weil bestimmte Schönheitsideale es so vorschreiben. Seien Sie stolz auf Ihre Kurven und unterstreichen Sie Ihre Schokoladenseite!“ Genau so spricht man seine Kundinnen an, liebes Otto-Team. Gut gefällt mir auch die Idee, die Tipps nach Jahreszeiten und Anlässen zu ordnen.
Die Modetipps selber sind etwas durchwachsen, und gehen tendenziell noch etwas zu sehr in Richtung konservativ und altbekannt. So wird immer wieder geraten, zu Longblusen oder Tuniken zu greifen, in Kombination mit engen Hosen oder Leggings. Abgesehen davon, dass das quasi die weithin propagierte „dicke Mädels-Uniform ist“, ist der Look nur sehr bedingt aufregend und verhunzt die Proportionen öfter, als das er ihnen schmeichelt. Auch der Vorschlag, im Sommer primär zu langen Kleidern zu greifen, finde ich nicht gänzlich zu Ende gedacht (vor allem, da ich diesen Blogpost an einem Sommerabend schreibe, an denen die Temperaturen ins Tropische tendieren und mir der Stoff eines langen Kleides – so ich denn eines anhätte – an den Beinen kleben würde wie eine Fliege an einer Froschzunge). Sicher, die Maxikleider, die im Moment so in sind, sind auf ihre Art nicht uncharmant, aber auch als barocke Beauty kann man ruhig ein paar kürzere Kleidchen sein eigen nennen, schon alleine als Hitzeschlagsvorbeugung.
Was man auch weglassen könnte, ist die Kaschier-Schiene. Ich weiß schon, es ist gut gemeint, aber ich bin etwas irritiert von Modetipps für Mollige, die mir helfen wollen, schlanker auszusehen. Ich mag meinen Körper, und finde nicht, dass ich mich kleiner machen muss. Auch möchte nie wieder lesen müssen, dass Teile meines Körpers (oder der Körper anderer Frauen) als „unerwünschte Problemzonen“ tituliert werden. Liebes Otto-Team (und alle anderen Modeleute), hier noch mal zum Mitschreiben:
Der nahe Osten ist eine Problem-Zone. Mein Hintern ist es nicht. (Und ja, ich zitiere da aus meinem eigenen Roman).
Bitte streicht in Zukunft diese Art von Formulierungen. Wenn man Frauen einredet, dass sie Teile ihres Körpers verstecken müssen, schadet man ihnen und ihrem Selbstvertrauen.
Das größte Manko der Otto-Modetippseite liegt meiner Ansicht nach aber in der Auswahl der Modefotos. Die Otto-eigenen Bilder zeigen 08/15-Mode an Models, die nicht einmal andeutungsweise Plus-Size haben, was gerade im Vergleich zu dem Fotos mit Cecile und Claudia schmerzlich auffällt. Dabei hat das Versandhaus in Sachen Plus-Mode inzwischen einiges zu bieten: weite Teile der Sheego-Kollektion (inklusive der Anna Scholz-Designs), Nordisches von Junarose, die romantisch-wilden Teile von Joe Browns oder Dirndl, die so hübsch sind, dass ich darin sogar halbwegs freiwillig aufs Oktoberfest ginge … und natürlich passende Schühchen und Täschchen und andere entzückende Accessoires … also, liebes Otto-Team, stellt eure Ware nicht unter den Scheffel, sondern zeigt euren kurvigen Kundinnen, was ihr alles zu bieten habt.
Sheego selbst bietet seinen Kundinnen übrigen auch ein eigenes Blog – Feel Happy. Zwar gleicht die Seite in Sachen Inhalt eher einem Lifestyle-Magazin – Kurvennews, Kurzinterviews, DIY-Tipps und mehr, aber zwischendrin finden sich auch Styling-Tipps, wie zB dieser Blogpost über verschiedene Figurentypen.
Auch der deutsche Peter Hahn-Versand bietet seinen Kundinnen ein Lifestyle-Blog, mit einer eigenen Unterseite für große Größen. Leider fahren die MacherInnen des Blogs die „Kaschier-Schiene“ teilweise noch wesentlich stärker als die Otto-Seite, und die Models auf den Fotos vieler Beiträge sind außer sehr schlank nur sehr schlank.
Zugegeben, ich bin nicht die Zielgruppe für dieses Versandhaus, die Mode ist für Frauen gedacht, die wesentlich älter oder/und konservativer sind als ich. Trotzdem finde ich den Tenor, der auf dem Blog herrscht, teils wirklich schade. Besonders geärgert habe ich mich letztes Jahr über einen Beitrag mit dem Titel 5 Styling-Tipps für kurvige Frauen. Wer wissen mag, warum ich Tipps und Sprache für alles andere als kurvenfreundlich halte, kann meine Diskussion mit der Verfasserin (bzw einer Verfechterin des Artikels) in den Kommentaren nachlesen. Dabei scheint die Verfasserin des Blogs, Frau Martin-Zick, recht engagiert zu sein in Sachen Plus Size, will offenbar vielen unsicheren Frauen mit ihren Tipps helfen, sich besser anzuziehen. Ob Überschriften wie „10 Jahre und 10 Kilo einfach wegmogeln“ dabei helfen, ist die Frage …
Viel besser gelungen finde ich das Blog der neuen Marke Studio Untold, mit wirklichen Plus-Frauen, frischem Design und Artikeln wie 50 nützliche Modetipps für echte Fashionistas oder darüber, wie man in hohen Schuhen läuft.
Nicht nur ein Blog, sondern auch einen YouTube-Kanal hat SWAK (Sealed with a Kiss) Designs – und die Amerikanerinnen wissen wirklich, wie man’s macht. Neben Stylingtipps und vielen Fotos mit runden Models, mit deren Hilfe man wunderbar sieht, wie die Kleider an einer wirklichen Plus-Size-Frau aussehen, bietet SWAK auch die Video-Serie SWAK in 60 Seconds mit Moderatorin und Fashionista Marci Guevara – mit Tipps von Styling der angebotenen Kleider bis zu DIY-Fashion-Hacks.
Bleibt nur zu hoffen, dass heimische EinkäuferInnen und Marktingmenschen mit Plus-Size-Kompezenz mal bei SWAK vorbeischauen und sich inspirieren lassen …