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Wellness

Wohl in meiner Haut …

Titelbild

Vor ein paar Tagen habe ich einen Newsletter von Plus Size Autorin und –Aktivistin Gisela Enders bekommen, der mich ziemlich nachdenklich gemacht hat. Gisela, Coach und in Sachen dickes Dasein sehr aktive Frau, schreibt: „(…) gestern war ich zum ersten Mal auf der Curvy in Berlin, einer Messe für Mode für große Größen. Dort habe ich viele wunderbare dicke Frauen getroffen, möglicherweise auch Dich und Andere. Was mich traurig gemacht hat? In diesem wunderbaren Ambiente mit toller Mode wurde über Diäten gesprochen. Ja, ich musste sogar den Satz aufschnappen: Eigentlich hassen wir uns doch alle!“

Erschreckend, oder? Ich bin allerdings nicht wahnwitzig überrascht. Bei meinem Besuch auf der Curvy letzes Jahr habe ich selbst ein, zwei ungute Momente erlebt, bei denen ich mich gefragt habe, wie ernst manchen das „Curvy ist sexy“-Motto überhaupt ist (siehe letzer Absatz des Blogposts).

Dazu kommt, dass ich in den letzen zwei Jahren auf Facebook mehr als eine Diät-Diskussion von deutschsprachigen Plus-Size-Models, Bloggerinnen und kurvigen FB-Gruppenmitgliedern mitbekommen habe – nach dem Motto: „Meine Bürokollegin hat mir gesagt, dass ich zugenommen habe – ich muss etwas tun, was sind Eure besten Diättips“ – und dann folgen Kommentare über Kommentare voll mit „Ich schwöre auf diese App … Paleo … Low Carb … Diätclub XY …“, und es ist außer deprimierend nur deprimierend, weil keine der Kommentierenden sich eingestehen will, dass diese Methoden, wenn überhaupt, nur kurzfristig wirken und auf lange Sicht mehr schaden als nützen … Ein, zweimal hab ich versucht, Stimme der Vernunft bzw des Teufels Advokation zu spielen, was aber genau gar nichts gebracht hat …

Nun weiß ich natürlich, dass viele dieser Frauen jünger sind als ich, und auf ihrem Weg in Sachen Selbstakzeptanz vermutlich dort sind, wo ich mit Anfang 20 war (Stichwort: brrr …). Deprimierend finde ich diese Kapitulationen gegenüber der Mainstreamkultur aber trotzdem, gerade von Frauen, die nach außen einen auf rund und selbstbewusst machen …

Aber was kann man tun, wenn man aus dem Zyklus ausbrechen will, wenn man nicht zu denen gehören will, die ihr Leben im Groll auf ihre eingebildeten und eingeredeten Unzulänglichkeiten verbringen wollen? Gisela Enders schreibt: „Nein! Ich hasse mich nicht. Ich bin dankbar für meinen Körper, freue mich über alles was er kann und bin liebevoll mit ihm und mir, wenn irgendwas mal nicht so gut geht. Und ich will alle mitnehmen auf diese Reise zur eigenen Körperliebe. Dich, (…) und am liebsten wirklich alle! In meinem Buch „Wohl in meiner Haut“ gebe ich dazu Anleitungen. Es ist letzte Woche erschienen, also brandneu.“ Und, soweit ich beurteilen kann (ich hab meines erst gestern bekommen und nur kurz reingeschaut), liest es sich spannend an …

Wer reinschnuppern will, für den hat Gisela Enders vier Leseproben.

„Im Text „Diäten“ geht es um die Möglichkeiten von Diäten oder besser um ihre Grenzen.
Im Text „Ruhe“ geht es um Wege, immer wieder zur Ruhe zu finden. Denn dicke Menschen leben, was meine Erfahrung angeht, ein eher anstrengendes stressiges Leben.
Im Text „Aqua“ berichtet Doris, wie sie Aqua als Sportart entdeckt hat und wie sie auch dabeigeblieben ist.
Und im Text „Was wir essen“ finden sich Gedanken zum gesunden Essen, allerdings mit einem klaren Ja, dass alles erlaubt ist, es aber trotzdem spannend ist, was die Ernährungsindustrie uns da alles so unterjubelt. “

Klingt doch viel besser als Selbsthass und Diätgerede …

 

Ein paar Gedanken zu Wellness und Selfcare …

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Ich finde es immer wieder spannend, welche Wörter es in manchen Sprachen gibt und in anderen nicht. Selfcare ist so ein Begriff, für den es im Deutschen keine wirkliche Entsprechung gibt. Das Wörterbuch schlägt als Übersetzung Selbsfürsorge oder Selbstpflege vor. Beide Wörter finde ich weder sehr zutreffend noch sonst wirklich brauchbar. „Fürsorge“ klingt nach Kontrolle vom Amt, und bei „Pflege“ denkt man im besten Fall an Kosmetik.

Ich gestehe, dass ich selbst noch nach einer besseren Übersetzung suche. Ich schwanke zwischen „sich um sich selbst kümmern“, „sich hegen und pflegen“, „darauf achten, dass es einem gut geht“.

Interessant ist auf jeden Fall, dass es für etwas, das so immens wichtig ist, keinen brauchbaren Begriff gibt. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass man es auch nicht wirklich beigebracht bekommt. Gerade Frauen lernen, sich um alle anderen zu kümmern – Kinder, Ehemänner, ältere Verwandte, die Gemeinschaft. Wenn man aber alle anderen pflegt und versorgt, und nicht auf sich selbst und seine Wünsche und Bedürfnisse achtet, bleibt man irgendwann auf der Strecke …

Was ist also selfcare für mich? Ein weites Feld, und die Feld-Forschung ist immer noch nicht abgeschlossen. Je weiter mich meine Reise weg von Essstörung, Depression und Körperwahrnehmungsstörung führt, desto klarer wird es mir aber, wie wichtig das Ganze ist.

Eine der Sachen, die ich gelernt habe und immer noch lerne, ist, wie wichtig Wellness für mich und meinen Körper ist. Das sage ich jetzt nicht nur, weil ich mal ein paar Jahre lang die Beauty-Abteilung für eine Fachzeitschrift der Spa-Branche inne hatte (und ja, wer googelt, der findet). Wellness kann für mich viel bedeuten: Bewegung, die einem Freude macht, Schwimmen gehen, ins Dampfbad gehen (Wasser ist definitiv mein Wellness-Element), eine Maniküre oder Pediküre (ich kann dabei wunderbar abschalten), oder eine Massage. Als mich das Team von MyDays letztens eingeladen hat, eines ihrer Erlebnisse zu testen, habe ich mich zwar durchaus auf den Bungee- und Rafting-Seiten herumgetrieben, bin dann doch schnell wieder bei den Wellness-Erlebnissen gelandet. Entschieden habe ich mich für eine Öl-Massage, da es für meinem von der Laptophockerei verspannten Rücken wunderbare Erholung versprach. Gelandet bin ich in einem Kosmetikstudio unter dem Dach eines großen Shoppingcenters nahe der Hauptbücherei. Das Studio kenne ich an sich, dass es dort Massagen gibt, war mir neu. Die Therapeutin – eine ältere Dame mit langen, grauen Locken, die etwas von einer Schaminin hatte, hat sich wunderbar um meinen Rücken und auch den Rest des Körpers gekümmert, und ich habe diese kleine, feine Auszeit richtig genossen.

Dass ich noch Stunden nach der Massage ganz leicht nach Zitronesmelisse gerochen habe, war eine feine Nebenwirkung …

Jetzt weiß ich natürlich, dass in Zeiten von Körperperfektionsterror viele Menschen Hemmungen haben, ihre Kleider abzulegen – nicht nur vor einem Massagetherapeuten. So kamen z.B. in den letzten Monaten unabhängig von einander zwei Meldungen aus Großbritannien, die einen nachdenklich machen. Immer weniger Menschen gehen schwimmen, sagt eine Studie, die andere weist darauf hin, dass sich immer weniger Kinder und Teenies beim Schulsport verausgaben, weil sie sich vor dem gemeinsamen Duschen drücken wollen.

Die Angst, dass der eigene Körper nicht gut/schön/perfekt genug ist und dass einem der Massagetherapeut oder die Massagetheraputin heimlich beurteilt, ist bei vielen Menschen groß, und vermiest einem oft das Erlebnis oder hindert einem dran, sich überhaupt einen Massagetermin auszumachen. Dabei ist die Angst in vielen Fällen unbegründet. Viele – wenn nicht sogar die meisten – WellnessexpertInnen machen ihren Job, weil anderen dabei helfen möchten, sich wohl zu fühlen. Erfahrene MasseurInnen wissen auch, dass jeder Körper anders ist. Sie haben hunderte, tausende halbnackte bis nackte Körper gesehen, und kennen Pölsterchen und Cellulite und Pigmentflecken und hervorstehende Rippen und Schwangerschaftsstreifen, also das ganze Panoptikum menschlicher Körperlichkeit.

Was kann man also tun, wenn man sich eine Massage oder Wellnessbehandlung gönnen möchte, und sicher gehen will, bei einem freundlichen, erfahrenen Profi zu landen?

Man kann

  • im Freundes- oder Bekanntenkreis herumfragen, oder sich zB auf Facebook in einer der vielen Plus Size Gruppen nach einem Geheimtipp erkundigen
  • Die Bewertungen anderer Kundinnen lesen, zB auf Yelp, aber zB auch auf der MyDays-Seite für das entsprechende Erlebnis
  • Anrufen und nachfragen. Wenn das Wellnessinstitut eine nette Empfangsdame hat, die einem die Angst nimmt oder man mit den TherapeutInnen selbst reden kann, ist das ein gutes Zeichen. Gerät man an jemanden zickigen, kann man das Institut von der Liste nehmen, und weitersuchen.

 

Die gute Nachricht ist, man wird sicher fündig. Und dann steht dem Massagevergnügen nichts mehr im Weg …