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Monatsarchiv: November 2014

Groß(artig)er Bauch: Klage einer Yoga-Lehrerin

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Vor einiger Zeit habe ich einen Blogpost entdeckt, in dem die amerikanische Yogini Danielle Prohom Olson, Gründerin von Body Divine Yoga sich Gedanken macht, warum in unserer Zeit gerade der Bauch so zur Problemzone hochstilisiert wird. Auch wenn ich nicht alle Statements zu einhundert Prozent teile (und die Begriffe „männlich“ und „weiblich“ im Text eher im übertragenen Sinne verstehe), finde ich den Beitrag voller interessanter Denkansätze … (Originaltext: hier)

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Achten Sie einmal auf den armen Bauch – hochgezippt und in Mieder gepresst, sein Über-Stehen verachtet. Er ist der Underdog des Körpers, aber kaum jemand verteidigt ihn – nicht einmal Yogis. Man braucht nur „Bauch und Yoga“ zu googeln, und man findet hunderte und aberhunderte Webseiten, Kurse und DVD – alle widmen sich der Aufgabe, seine fleischigen Falten unwiederbringlich wegzublasen. Heute wünschen wir uns etwas, das man Waschbrettbauch nennt, und um den zu bekommen, dreht sich alles darum, Stärke und Kraft aus der Mitte zu kultivieren, und um das dritte Chakra, den Sitz unserer Willenskraft anzuheizen.

Frauen brauchen dabei offensichtlich Hilfe. Wir sind in der Bauchgegend von Natur aus gut ausgestattet, genauso wie im Brust- und Hinternbereich – was vielleicht signalisiert, dass Sex und Fett zusammengehören sollen? Und, sehen wir den Tatsachen ins Auge, ein überfließender, wackelnder und mit Grübchen versehener Bauch bedeutet eines: dass unser Appetit Amok läuft. Es scheint sinnlos zu leugnen, dass ein Waschbrettbauch Willenskraft bedeutet, während ein üppiger Umfang darauf hinweist, dass man den geistlosen Begehren des Körpers verfallen ist. Und solch lustvolles Benehmen ist eine der Hauptvorwürfe des Patriarchats an die Frauen. Wir alle seien Fleisch gewordene Versuchung, emotional, ursprünglich, uns fehlt die Disziplin.

Genau das stört mich an den Bildern, mit denen wir von der Yoga-Marketing-Maschine gefüttert werden. Sie sprechen von einem Ideal spiritueller Disziplin, in dem das Spiel „Entsagung“ heißt. Dieses Ideal hat seine Wurzeln in einer asketischen Tradition, die das Weltliche und den Körper – insbesondere den weiblichen Körper – verachtet.

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Der Niedergang des geheiligten Bauchs

Ich finde es bezeichnend, dass der Bauch, der einst als ein Symbol von Fülle und Fruchtbarkeit verehrt wurde, heutzutage so verschmäht wird. Die frühen Kulturen der Alt- und Jungsteinzeit produzierten einen nicht versiegenden Strom an weiblichen Figuren, Wandmalereien, Keramiken und Bildern, die alle einen großen, manchmal sogar einen gewaltigen Bauch aufwiesen. Man nimmt an, dass diese Bilder die große Muttergöttin darstellen, und ihr Berg von einem Bauch sagt wenig über die Erhabenheit von Erlösungsgedanken oder die Erbsünde. In diesen alten Kulturen galt alles als heilig – die Natur, die Sterne, die Steine, die Menschen. Sie waren alle ein Teil des Körpers der Großen Muttergöttin, die Leben gab, und sie schütze und nährte und liebte uns – ohne Einschränkungen. Wenn man sie ehrte, ging es nicht um Entbehrung und Sparsamkeit oder um Gehorsam, sondern darum, das Leben zu feiern und zu spüren – hier und jetzt. Soziologen schreiben unsere prähistorische Besessenheit mit Fett der Tatsache zu, dass es Überfluss verkörperte, in einer Zeit, in der Lebensmittel rar waren. Ich glaube, dass das noch tiefere Gründe hat. Ich glaube daran, dass diese Bäuche die einzigartige weibliche Fähigkeit feierten, nicht nur die Fülle des Lebens in sich aufzunehmen, sondern auch darin zu schwelgen und sie zu feiern. Lisa Sarasohn, Autorin von The Woman’s Belly Book (Bauchbuch für Frauen) schreibt, dass der Bauch der Großen Mutter die übernatürliche und wunder-bare Verbindung der Frauen zu „der Kraft, die Leben erschafft, nährt und erneuert“ verkörpert. Die üppigen Falten deuten nicht nur ihre Fähigkeit an, sich fortpflanzen zu können, sondern auch ihre Fähigkeit, sich selbst nähren zu können, ihre Wünsche und Begehren zu spüren und zu erfüllen. Ist es also ein Wunder, fragt die Autorin, dass vom Standpunkt der patriarchalen Autoritäten, die sich bemühen, Frauen zu kontrollieren, der Bauch immer mehr zu etwas Subversivem wurde?

Es ist kein Geheimnis, dass Frauen und körperliches Begehren schon lange in einem Topf geworfen und als böse gebrandmarkt werden. Sarasohn glaubt, dass der Hass auf den Bauch Teil eines kulturellen Angriffs ist, der „Frauenkörper als Objekte sieht, die es zu kontrollieren gilt.“ Die Agenda? Einen Krieg gegen die tiefste „Wissensquelle“ einer Frau zu führen – ihren Bauch.

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Die Teilung von Geist und Körper

Laut des Autors Philip Shepherd begann dieser Krieg damit, dass man die Große Mutter und ihren den Bauch umarmenden Zugang absetzte. Während es den Anhängern der Göttin um die heilige Ver-Körperung ging, wurde mit der Ankunft der patriarchalen Götter vor ca. 2000 Jahren das Körperliche besudelt und geschändet. Shephers neues Buch New Self, New World: Recovering our Senses in the 21st Century (Neues Selbst, neue Welt: im 21. Jahrhundert seine Sinne wiederentdecken) beschreibt detailliert, wie mit dem Aufstieg des Patriarchats das Zentrum des Bewusstseins (das weibliche Zentrum des Gefühls im Bauch) seinen Weg in den maskulin-isolierten, gefühlslosen Turm unserer Kopfes zu wandern begann. Das ist wichtig, weil Frauen im Laufe der niedergeschriebenen Geschichte mit dem Leben des Körpers gleichgesetzt wurden. Der Körper – und Frauen – wurden zu gefährlichen Ablenkungen, nicht nur für Verstand, Logik und das Denken, sondern auch für die spirituelle Reinheit. In dieser neuen Weltordnung war der Körper einer Frau nicht mehr heilig, sondern ein Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung. Gott war jetzt offiziell männlich, körperlos und „irgendwo da draußen“. Daraus ergibt sich das, was Shepherd als die „Hauptwunde unserer Kultur“ bezeichnet, nämlich die Aufspaltung von Körper und Geist. Denn während der Kopf das Denken und Handeln beherrscht, ist das Zentrum des Fühlens im Bauch, in den Eingeweiden. Und was wir verloren haben, ist unsere Verbindung zum weiblichsten Aspekt des Daseins – dem Fühlen. Das ist keine metaphorische Behauptung, sondern eine physiologische Tatsache.

Zwei Gehirne – Krieg der Geschlechter?

Die moderne Forschung auf dem Gebiet Magen-Darm hat enthüllt, dass wir zwei Gehirne haben, eines in unserem Kopf, das andere in unserem Bauch. Unser Bauch ist viel mehr als ein unintelligentes Verdauungsorgan. Er enthält ein Nervensystem, dass dem Hirn neurologisch in Sachen Struktur und Funktion derart ähnlich ist, dass es unser zweites Hirn genannt wird.

Die Wände unseres Darms enthalten hunderte Millionen an Nervenzellen (mehr als in der Wirbelsäule oder im periphären Nervensystem), und ihre Aufgabe ist es nicht, nachzudenken und Vernunft walten zu lassen, sondern zu „fühlen“. Dieses zweite Hirn ist nicht der Sitz bewusster Gedanken und des Entscheidungen Treffens, sondern es für das verantwortlich, was wir als Bauchgefühl oder Bauchinstinkt kennen.

Was passiert also, wenn wir den Bauch nicht als einen intelligenten Bereich betrachten, sondern als träge Masse, der vom Denker in unserem Kopf gelenkt wird? Laut Shepherd hat uns das „eingeschlossen in den Türmen unserer Hirne, denkend, analysierend, planend und rationalisierend“ zurückgelassen, abgeschnitten von der Natur, von den Gefühlen und vom Sein an sich. Shepherd zufolge ist das Kopfhirn das Zentrum des männlichen Aspekts des Bewusstseins, und das fühlende Bauchhirn das Zentrum des weiblichen Bewusstseinsaspekts. Heutzutage scheint es normal, dass der „ideengefüllte“ Kopf über den „gefühlsgefülten“ Bauch herrschen sollte, aber Shepherd erinnert, dass, wenn wir uns unsere volle Intelligenz zurückholen wollen, jedes Hirn seine Ergänzung oder Vervollkommnung durch das andere finden muss. Trotzdem betrachten wir von unseren kopfzentrierten Standpunkt aus den Bauch als etwas, dass man überwinden muss, und identifizieren Frauen und ihren Appetit als etwas, das man gezielt kontrollieren soll.

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Der Bauch im 21. Jahrhundert

Im Bauch ist unsere körperzentrierte Weisheit zu Hause – unser Bauchwissen und unser Sinn für Selbsterhaltung. Was bedeutet es also für uns Frauen, dass die lebensbekräftigende Präsenz des Bauchs von einer flachen, fett-losen, nach innen gewölbten Fläche zwischen hervorstehenden Hüftknochen ersetzt wurde? (Anm Rhea: ich glaube nicht, dass es der Autorin darum geht, Frauen zu kritisieren, die von Natur aus so gebaut sind, sondern eher um den Zwang, dass alle so aussehen müssen). Ich frage mich, ob es eine Verbindung zwischen den Hass auf Bäuche und der Tatsache gibt, dass hauptsächlich Frauen an Ess- und Verdauungsstörungen leiden. Warum sind wir nicht im Stande, Nährenswertes zu finden?

Frauenbäuche sind biologisch dazu programmiert, rund zu sein. Ihre sanften Fettpölsterchen sind dazu gedacht, unsere Fortpflanzungsorgane zu schützen, und ohne sie geraten unsere Hormone durcheinander, und wir werden schnell unfruchtbar. Kann es sein Fehlen des Bauchs einer der Gründe sein, dass Fortpflanzungsstörungen mehr und mehr zunehmen? Ist das Fehlen des fröhlichen Wackelns einer der Gründe, warum Frauen die Hauptverbraucher von Antidepressiva sind? Oder warum mehr und mehr Teen-Mädchen sich schneiden und selbst verstümmeln? Die psychologische Diagnose dieser Mädchen ist, dass sie verzweifelt danach sind, etwas zu „fühlen“ – egal, was es ist.

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Ich weiß, dass ich wahrscheinlich eine Menge an Kommentaren bekomme, die mich darauf hinweisen, dass zu viel Bauchfett ungesund sei und auf eine Überproduktion von Insulin hinweist, das von einem zu viel an Zucker und weißen Kohlenhydraten kommt (Anm Rhea: Meinung der Autorin, nicht meine). Und während ich das diese Realität anerkenne, spricht das trotzdem nicht mein Hauptbedenken an, nämlich das tief sitzende Unbehagen unserer Kultur gegenüber unseren Bäuchen. Wie Lisa Sarasohn hinweist, haben Frauen mehr und mehr begonnen, „an einer „Männerwelt“ teilzunehmen – und der Bauch, das sprichwörtliche und symbolische Zeichen weiblicher Kraft – wurde im Idealfall unsichtbar.“

Genau deshalb möchte ich „Yoga“ und „Bauch“ googeln können, und ganz neue und revolutionäre Links finden. Links, die uns Geschichten davon erzählen, wie es ist, sich nicht an patriarchale Ideale von Bauchkontrolle anzupassen, sondern alles heraushängen zu lassen. Und ich frage Sie: um was zu überwinden bauen wir denn so viel Kraft aus der Mitte auf? Ist es nicht an der Zeit, die heutige Agenda zu hinterfragen? Wir müssen uns erinnern, dass laut Autor und Yogalehrer Julian Walker (in seinem Essay im Buch 21st Century Yoga: Culture, Politics, and Practice) in der klassischen Sichtweise „ der Sinn von Yoga darin liegt, unsere Körper, Geist, Wünsche, Besitztümer und in der Tat all unsere Natur und die physische Welt zu überwinden“. Ist das nicht eine Sichtweise, aus der heraus Frauen früher nicht einmal erlaubt war, Yoga zu praktizieren, weil man sie für unrein und unkeusch hielt?

Ist das wirklich das, was wir wollen? Unsere Fähigkeit, und selbst zu nähren, zu gedeihen, und in dieser Welt freudig anwesend zu sein, steht auf dem Spiel.

Ich finde eine brauchbare Alternative und sichtbare Rollenmodelle in der weniger anerkannten Yoga-Tradition des Tantra. Die Tantra-Praktizierenden suchten das Göttliche innerhalb des Körpers, und die Wurzeln dieser Praktiken kann man bis zu frühen, die Muttergöttin verehrenden Kulturen zurückleiten. Ihre Göttinnen der Natur, der Liebe, der irdischen Fülle, der weiblichen Weisheit wurden durch die Jahrhunderte liebevoll und übergenau auf Tempeln und in Bildhauerkunst abgebildet. Und ihre Bäuche, geschmückt, verziert und mit Juwelen eingerahmt, sind ganz eigenständige erogene Zonen. Rund und hervortretend wie die herausragenden Brüste und füllige Hüften und Hintern, sprechen sie nicht von Askese und Verneinung, sondern von sinnlichen Vergnügungen des Lebens, und von der heiligen Natur der Verkörperung.

Danke an Danielle, dass ich den Text übersetzen und mit meiner Leserinnen teilen darf.

Quellen der Originalbilder: WikiCommons, Trade India,

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Schöne Sachen Samstag: Prag Sweet Prag

 

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Die letzten drei Wochen habe ich in Prag (und Umland) verbracht, um für meinen neuen Roman zu recherchieren. Ich laufe durch Archive, quetsche Zeitzeugen aus, und ich bin sehr, sehr glücklich und dankbar für mein einjähriges Literaturstipendium, dank dessen ich mir das alles überhaupt leisten kann. Außerdem ist es immer fein, in Prag zu sein – so vieles hier, was mir Freude macht:

 

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So! viel! Powidl! / jede Menge sehr freundlicher und ausgesprochen hilfreicher InterviewpaternterInnen / Nachts, wenn sie fast leer ist, über die Karlsbrücke laufen / in einem Geschäft in Vlasim eine wunderhübsche Jumbotasse entdecken, die zu meinem restlichen Geschirr passt (diese Riesentassen sind wunderbar für alle, die zum Frühstück literweise Tee trinken und keine Lust haben, extra die Teekanne zu spülen) / die limitierte Ribisel-Serie der tschechischen Kosmetik-Firma Manufaktura / Sibylle Berg-Overkill der guten Art – packendes Gastspiel des Gorki-Theaters mit Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen beim Deutschsprachigen Theaterfestival, am nächsten Tag zweisprachige Lesung von Vielen Dank für das Leben im Goethe-Institut (Frau Berg las gemeinsam mit Soňa Červená, einer fast 90 Jahre alten tschechischen Opernlegende) / Anschließender Empfang in der Wohnung des Direktors, mit dem wohl schönsten Blick auf den beleuchteten Hradschin / mit Bummelzügen und Bussen durch Mittelböhmen reisen und aus den Fenstern die sanft hügelige Novemberlandschaft beobachten / Lachs-Baguettes von Bageterie Boulevard / draufkommen, dass es im hundsgewöhnlichen Linienbus zwischen dem Prager Stadtrand und böhmischen Kleinstädten gratis W-LAN gibt / endlich mal eine Schokotorte aus der berühmten Konditorei Erhart probieren / Babyneffen knuddeln und ihn beim Niedlich-sein beobachten / mit neuen Freunden im Café Slavia sitzen / böhmische belegte Brötchen / viel Inspiration und Input für den Roman / Grüntee mit Pfirsicharoma / Abendspaziergänge durch den Stromovka-Park / wunderbar kitschige Weihnachtsbeleuchtung am Altstäter Ring (geht sehr in Richtung Feenwald) / Lendenbraten mit Knödeln und Preiselbeeren und viel Sauce – muss einmal pro Prag-Reise sein / Yves Rocher Winteredition Birne Karamell / bei Lindex zwar keine Outfits (Generous), aber immerhin neue Ohrringe finden / Experimente mit Kamera / Fidorky (runde Waffeln mit Bitterschokolade-Überzug), der Geschmack meiner Kindheit

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Fotos von der Poetry-Performance KörperBilder

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Ein paar Eindrücke von meiner Textperformance KörperBilder im Rahmen des Vienna Video Poetry Festivals am 6.11.2014 – die Visuals stammen von 4youreye, mit denen ich das erste Mal zusammengearbeitet habe. Mein Text und die Performance beschäftigen sich mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit weiblicher Körper in unserer Gesellschaft und unserer versteckten Geograhie.

Ein Textauszug aus KörperBilder (c) Rhea Krcmárová, 2014

Ich vermisse die Wärme meines eigenen Körpers

Versteckt unter berührungslosen Schichten

Jede Wärmebildkamera sucht vergeblich nach mir

Gut isoliert unter meinem eigenen Schicht Schutz

Schutzspeck aus Wolle oder auch nicht

Man weiß, Kleidung soll vor Kommentaren isolieren

Daunenjacke als Gefechtsgeschütz, selbst angezüchtet

Kevlarersatz aus Textil oder aus Fleisch oder aus Haut,

Nur leider nicht ganz so wirksam

Hautsache ist, nicht auffallen, sagt die geschärfte, die gescheuchte,

Die geplagte Innenstimme

Meine Nebenschauplätze nicht zur Schau stellen

Von alten Kriegslinien, meinen Kriegslinien ablenken

Problemzonenvermeidung, raten die Medien

Kein Terrorist auf meinen Hüften

Keine Bodenluftraketen, Geiselnahmen

Geigerzähler tanzt nicht über meiner Haut

Trotzdem das Urteil, vernichtend genug: Problemzone

 

Sie nennen es

Fat talk

Ich sage

Bad talk

Ich sage

Mad talk

 

Irgendwer sagte einmal, die inneren Werte sind zu zählen.

Heute will man Haut sehen.

Nur nicht irgendeine.

Nur nicht meine, und die von den Meinen.

Sichtbar

Sich bar

Barstellen

Barhäuptig

Barbrüstig

Aber nur, ohne selbst daran gefallen zu finden

 

Ich soll mich hautlos fortbewegen, wenn es nach Mehrheit der Meinungen geht.

Aber ich weigere mich.

Unsichtbarkeit mag für andere Schutz sein.

Mir und meinem Wesen liegt sie nicht.

 

Ich will mich nicht mit Flüssen vergleichen müssen

Die unter der Erde fließen

Deren Lauf man nur ahnt

Die aufscheinen auf Landkarten als wage Punkte

Wenn überhaupt

Unerforschbar

Interessant nur für eingeweihte Kreise

Weil ohne auf den ersten Blick erkennbare Werte

Panta rhei

Alles fliest

Aber nur unter der Erde

Und wenn ich irgendwann ins Meer münde,

oder mich mit dem Lauf eines anderen Flusses verbinde

habe ich nie existiert

Weil niemand je nach mir gesucht hat

Lieber den zögerlichen Bachlauf, Bauchlauf an der Oberfläche sehen, sagt man

Als füllige Gewässer unter der Erde

Neugier hat im Durchschnitt noch nie eine Rolle gespielt

Nur, was sichtbar sein darf, zählt

Darum verlasse ich mein Wasser-Bett in der Höhle

Nehme meinen Platz in der Geographie der Welt ein

Amazone wird zum Amazonas

So breit und so fett, wie es ihr zusteht

Nebenarme, Deltas, nährend, tödlich, entsprechend gewaltig

Eine Göttin, weiß man, steht am Anfang jeden Flusses

Sie nimmt den Raum ein, der ihr zusteht

Fließt durch alle Landschaften, StadtFeldBerg,

 

Ich bin Sedna, die vom Grund,

Die ihre Finger, ihre Tentakel und ihre Gedanken abschneidet,

Und die blutigen Gliederreste werden zu Fischen und Quallen und Seehunden

Wenigstens zu etwas nützlich

Wenn ich schon kein Planet bin, der zählt

 

Acht oder neun Planeten, nur eine Göttin

Die Schöne, selbstverständlich

Die Klugen und Starken und Bewaffneten und Mütter und die Schöpferinnen und die dunklen Versucherinnen

Sind Trabanten, wenn denn überhaupt

Kaum sichtbare Himmelskörper

Oberflächen ohne eigene Umlaufbahn

 

Man hat uns eine Dreifaltigkeit aufgezwungen

Und unsere eigene kastriert

Nur die junge Göttin ist sichtbar, ist frisch und naiv

Die Mutter wird auf Nutzen überprüft

Die Alte wird verleugnet

Hebe Sheila

Hekate

Zeig dein alterndes Geschlecht

Das Loch zwischen den Welten, den Übergang

Zeigt es euren Enkeltöchtern, wie man es richtig macht

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Slam Poetry Fundstück: Fat Bottomed Girls

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Die junge Amerikanerin Kim Selling performt ihr Gedicht über Gesundheits-Trolle, Schönheitsnormen und eine rebellische Liebe zu ihrem eigenen Körper.

There’s no footnote in the regulations index of my life
that says I have to sleep on elipticals
and suck down the hopeful semen of boys named Jimmy
until you understand my body.
You wont ever understand my body.
I am Miss Piggy.
I am Mama Cass.
I am fuckin’ Aretha.
And I love being these women.
I love being fat.

„SKINS“ Open Mic: Kim Selling from Champ Ensminger on Vimeo.

Neu auf fischundfleisch: Wohlfühlen in einem dicken Körper

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Wenn ich Dicke sehe, die behaupten, sich in ihrem Körper wohl zu fühlen, regt mich das immer total auf. Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen – ich habe mich schon während meiner Schwangerschaft total unwohl gefühlt. Ich steh mit meiner Meinung nicht alleine da: eine Freundin ist dick und mag ihren Körper nicht, und die findet auch, dass diese angeblich glücklichen Dicken sich was vorlügen.

Du hast das Schlüsselwort zur Antwort selbst geliefert: DU kannst DIR das nicht vorstellen. Und das ist das Kernproblem der ganzen Diskussion. Weiterlesen: hier.

Unterstützenswert: Plus Size Fitness DVD

 

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Die Kanadierin Louise Green kennen Leserinnen von venusinecht.com ja schon von ihrem spannenden Interview im Frühling. Neu ist, dass die Besitzerin einer Fitnesscenterkette für Plus Size Frauen und Expertin zum Thema rund und fit ihre Botschaft weltweit verbreiten will, und zwar mit einer Workout-DVD speziell für Frauen ab Größe 42. Gute Idee, schließlich gibt es nicht nur so gut wie keine Workout-Videos für Menschen mit mehr, und außerdem können nicht alle sportinteressierten Curvies nach Nord-Nordamerika pilgern, um mit Louise und ihrem Team zu arbeiten. Also hat Louise ein Workut-Video speziell für Plus-Damen gedreht, und zwar für alle Fitness-Level. Sogar für sehr untrainierte Frauen, oder solche, die sich von einer Verletzung erholen, ist etwas dabei: ein rundes Fitness-Model zeigt Variationen der Übungen im Sitzen.

Jetzt kann man Louise und ihr Team dabei unterstützen, das Video als Download oder DVD an die Frau zu bringen: Green sammet auf Indiegogo Geld für die Post-Produktion und das Marketing. Mit feinen Belohnungen: für 25 kanadische Dollar z.B. (weniger als 18 Euro) kann man das Video runterladen, und zwar noch vor der offiziellen Veröffentlichung.

Einziger Nachteil: das Video gibt es bis her nur auf Englisch. Aber we weiß, was passiert, wenn es eine größere Nachfrage aus dem deutschsprachigen Raum gibt …

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Textperformance “KörperBilder”

Text / Performance: Rhea Krcmarova

Video / Live Projektionen: 4youreye // Eva Bischof & Gerald Herlbauer

Die Performance an der Schnittstelle zwischen Wort und Licht greift das Thema Sichtbarkeit von Körpern auf. Licht interagiert mit Stofffalten und Körpergeographie, Stoffschichten und Textschichten und Lichtschichten werden auf- und abgetragen, und ein Tanzaccessiore erstrahlt in einem neuen Kontext …
ART VISUALS & POETRY FILMFESTIVAL 5. /6. November 2014, Beginn 19:00
Schikaneder Kino, Margaretenstr. 24, 1040 Wien
Moderation Sigrun Höllrigl und Hubert Sielecki
Literaturperformances Sophie Reyer & Rhea Krcmarova / 4youreye (Visuals)
Eintritt 5/10 Euro
Programminfos:
http://poetry.or.at/node/1317

Lieblingslinks November

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Es gibt zum Thema Selbstliebe und Body positivity wieder einiges zu lesen …

Auf deutsch:

Warum intuitives Essen besser ist als jede Diät – Interview mit Autor und Gesundheitswissenschaftler Thomas Frankenbach auf Spiegel.de

Magda von Mädchenmannschaften macht sich Gededanken zu den Besorgtheits-Trollen, die beim Anblick von Dicken im Bikini nach dem Gesundheitsminister japsen

Die FAZ berichtet über deutsche Plus-Bloggerinnen

Ungewohnt progressiver Madonna-Artikel über US-Aktivistin Whitneyy von Fat Girl Dancing

GoFeminin berichtet über Plus-Bloggerin Loey, und die Kommentare, sie die abbekommt …

Schon etwas älter, aber immer noch interessant: Bloggerin Kaltmamsell über den Diätterror, den sie über sich ergehen lassen musste …

TV-Doku Dicke Leben länger auf SAT1 – durchaus spannende und innovative Ansätze dabei …

Kann man mit Elektroschocks den inneren Schweinehund überwinden? Kein Scherz, eine US-Firma sagt ja, und entwickelt Schock-Armbänder (!!!)

Auf englisch:

Victoria´s Secret nennen betiteln ihre neue Werbekampagne Perfect Body, was viele Menschen verständlicherweise ziemlich verärgert (engl).

Ist Männern fatshaming erst dann nicht egal, wenn sie selbst zum Opfer davon werden? (engl).

Wie würden Disney-Prinzessinenn aussehen, hätten sie eine realistische Taille? Laut Buzzfeed in etwas so …

Laut Facebook ist „fett“ jetzt ein Gefühlszustand …

PHYSICAL FEMINISM directed by Iris Brosch from Iris Brosch on Vimeo.

Was Leute wirklich sagen, wenn sie über deinen Körper reden …