Louise Green, Plus Size Athletin und Begründerin der Body Exchange Fitnesskette
Louise Green, Plus Size Athletin und Begründerin der Body Exchange Fitnesskette

Meine Reise zur Body Love Conference hat mir viele, viele Inspirationen und positive Eindrücke geschenkt. Eine meiner Lieblingserinnerungen ist die an Louise Greens Vortrag über Plus-Fitness, und ich freue mich, dass die viel beschäftigte Kanadierin Zeit gefunden hat, ihre Erfahrungen und Einsichten zum Thema „rund und fit“ mit mir zu teilen. Schließlich ist sie nicht nur der lebende Beweis dafür, dass man auch als mollige Frau eine erfolgreiche Athletin sein kann. In ihrer Fitnesscenter-Kette Body Exchange bringt Louise Plus-Size-Menschen die Freuden der Bewegung näher, abseits von veralteten Konzepten wie Diätdruck und Kalorienwahn.

Durch ihre jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet ist Louise Green inzwischen eine weltweit anerkannte Expertin zum Thema „fit und fett“, und eine der führernden Stimmen der body advocacy (frei übersetzt Körper-Akzeptanz)-Bewegung. Durch ihre Ausbildung als Personal Trainerin, sowohl für Gruppen als auch für Einzelklienten, und ihre eigene erfolgreiche Sportlerkarriere boxt sie unsinnige Vorturteile erfolgreich k.o. In einer Welt, die schwerere Körper immer noch ausgrenzt, ist sie eine Plus-Size-Botschafterin, und der lebende Beweis dafür, dass die gesellschaftlichen Denkmuster in Bezug auf untypische, sprich nicht dünne Körper schlicht und ergreifend falsch sind. Louise glaubt daran, dass jeder Körper unbegrenztes Potential hat, unabhängig von seiner Form und seinem Geweicht, und sie beweist wieder und wieder, dass sie Recht hat. Ihr Motto lautet: „Deine Kleidergröße bestimmt deine athletischen Träume nicht“, und das ist doch schon ziemlich revolutionär.Wenn sie nicht gerade Halbmarathons läuft oder auf Schiern die Hänge diverser kanadischer Berge hinunterflitzt, betreibt sie bei Fitnessfirmen wie Nike und Addidas Lobbying, damit die Konzerne endlich Athleten aller Körpertypen in ihre Werbung aufnehmen. Und ihre Botschaft wird langsam gehört, Artikel mit und über Louise erschienen unter anderem im Time Magazine, der New York Times, der Daily Mail, bei Yahoo, der Huffington Post, und bei xoJane.

Louise ist nicht nur die Gründerin der Fitnesscenter-Kette Body Exchange (mit sechs Standorten in Kanada), die sich auf mollige und dicke Kundinnen spezialisiert hat. Sie sich auch noch Bloggerin, Coach und Body Love-Aktivistin. Ihr neuestes Projekt ist ein Online-Fitnessprogramm mit dem Titel „5000 Meter für jede Frau – ein Leitfaden für big girls vom Start bis zur Ziellinie“, das im Herbst 2014 auf den Markt kommt. Ihr Buch „Limitless“ wird 2015 erscheinen.

 

Mitglieder von Body Exchange beim fröhlichen Training in der kanadischen Natur
Mitglieder von Body Exchange beim fröhlichen Training in der kanadischen Natur

VIE: Louise, erzähl uns von deiner Mission, deiner Vision?

LG: Meine Mission und Vision – und die von Body Exchange – ist, die gesellschaftlichen Sichtweisen von Plus Size Frauen zu ignorieren, und als Vorreiter ein innovatives, athletisches Trainingsprogramm zu erschaffen, das Frauen mit jedem Körpertyp die Möglichkeit gibt, ihren wahren körperlichen Bestzustand zu erreichen, und zu ihrer eigenen Stärke zu finden.

Welche Sportarten genießt du selbst, und warum?

Ich trainiere in einem athletichen Programm, das ursprünglich für Hockeyspieler entwickelt und dann für Alltagsathleten angepasst wurde. Das Programm gefällt mir so gut, weil wir unsere Gelenkingkeit und Beweglichkeit trainieren, anaerobes Cardio machen, aber auch schwere Gewichte heben. Ich laufe auch, und fahre Rad. Ich liebe alles, was mich schön zum Schwitzen bringt und mir ein Endophin-High beschert.

Warum ist es wichtig, das Thema Sport von der Diät- und Abnehmmentalität zu trennen?

Für mich ist das so wichtig, weil die Diätindustrie seit Jahrzehnten versagt und uns im Stich lässt. Diäten funktionieren schlicht und ergreifend nicht, und wenn wir unsere kulturelle Besessenheit mit der Zahl auf der Waage ablegen und den Fokus auf ein gesünderes Leben richten, haben wir alle viel mehr Erfolg, und sind uns selbst gegenüber auch liebevoller. Durch Hass und Selbstbestrafung kommt man einfach nicht zu einem gesünderen Leben.

Was sind die häufigsten Ängste und Widerstände, die dicke Menschen in Sachen Sport empfinden?

Das ist meiner Erfahurng nach ein sehr komplexes Thema. Erstens fehlen in unserer Gesellschaft Bilder dicker Menschen, die sportliche Erfolge feiern. Dieser Mangel an Sichtbarkeit erschafft Unischerheit und Angst, die Menschen fragen sich, ob sie es überhaupt schaffen können. Können sie mithalten? Was, wenn sie die dickste Person im Raum sind? Wenn es mehr Darstellungen und eine bessere Sichtbarkeit dicker Sportler gäbe, könnte das diese Ängste zumindest mildern.

Zweitens existiert in unserer Welt ein ziemlicher Dickhass, und es schwirrt sehr viel Propaganda über dicke Menschen herum, obwohl die meisten dieser Gerüchte wissenschaftlich überhaupt erst beweisen werden müssen. Trotzdem hat die Gesellschaft beschlossen, dass dick einfach SCHLECHT ist, und die Plus Size Gemeinschaft muss sich mit jeder Menge (Vor)Urteilen konforntiert, wenn es darum geht, aktiv zu werden.

Drittens wissen viele Fitness-Profis nicht, wie man effektiv mit dicken Menschen trainiert, weil sie selbst wenig Erfahrung damit haben, wie es ist, übergewichtig zu sein. So viele meiner Klienten hatten lange das Gefühl, nirgendwo hingehen zu können, wo sie sich in Sachen Fitness erfolgreich fühlen konntem.

Louise beim Boxtraining mit einer dicken, fitten und glücklichen Kundin
Louise beim Boxtraining mit einer dicken, fitten und glücklichen Kundin

Gibt es in Sachen Sport Unterschiede zwischen Menschen mit unterschiedlichen Figurentypen?

Meiner Erfahrung nach ja. Erstens sind die Plus Size Gruppen untereinander viel verbunderer, und die Gemeinschaft und Kameraderie ist in diesen Trainingsgruppen viel wichtiger. Meiner Meinung nach kommt das davon, dass die Frauen sich ihr Leben lang in der Fitnesswelt nicht angenommen gefühlt haben. Zweitens muss man für Plus Size Menschen manche Übungen abwandeln – zum Beispiel alles, was die Knie belastet oder auf den Bauch drückt, Übungen, bei denen man übermäßig oft in die Hocke geht, oder Übungen, die den Körper sehr intensiv beanspruchen. Wobei das allerdings nur auf einige meiner Klientinnen zutrifft, nicht auf alle. Und dass die Übungen modifiziert werden, heißt nicht, dass das Workout dann ein Spaziergang wäre. Es ist herausfordernd, aber da wir von jeder Übung drei Variationen zeigen, für alle machbar.

Warum ist es so wichtig, eine/n Trainer/In zu finden, die sich mit Plus Size Körpern auskennt?

Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass die TrainerInnen auch die psychologischen Aspekte im Auge behalten, die mit Plus Size Training einher gehen. Dass die ExpertInnen sich bewusst sind, dass Dicke in der Branche unterrepräsentiert sind, und dass diese Tatsache Ängste erzeugen kann. Dazu kommt, dass die Klienten vielleicht in der Vergangenheit nicht gerade die besten Erfahrungen mit Fitness gemacht haben, und dass diese Welt für sie oft nicht gerade hilfreich und entgegenkommend war. Die TrainerInnen sollen auch wissen, wie man die Übungen und die Abfolge modifiziert. Sie sollen sich dessen bewusst sein, was für eine wichtige Rolle die Gemeinschaft spielt, und das fördern. Sie sollen auf die Sprache achten, die sie benützen, sollen zum Beispiel nicht mit Angstmache oder Beschämungtaktiken arbeiten, auf die Art von „der Sommer und die Bikinisaison kommt, du bereitest dich besser darauf vor.“ Oft sind es solche Kleinigkeiten, die wichtig sind.

Ich liebe, was du bei der Body Love Conference über die mangelnde Sichtbarkeit dicker Menschen gesagt hast, besonders, wenn es um die Fitnessindustrie und die Sportartikelwerbung geht.

Es ist bedauerlich, aber viele Plus Size Menschen finden sich in keiner Werbung für Fitnessclubs, Trianingskleidung oder -Geräte wieder. Das liegt daran, dass man fett als schlecht brandmarkt, und die meisten Firmen nicht mit dicken Markenbotschaftern in Verbindung gebracht werden wollen. Genau darum haben die wenigen dicken Olympioniken, die es gibt, auch keine Sponsoren. Wenn man sich aber in der Marketing-Botschaft nicht wiederfindet, macht es einem den Zugang zu Fitness viel schwieriger. Leute kaufen etwas, weil sie sich damit in Beziehung setzen, sich damit identifizieren. Vor meiner Fitnesskarriere war ich eine Schauspielagentin, und habe Werbecastings abgehalten. Bei diesen Castings gab es immer den Auftrag, die Firmen durch ethnische Vielfalt zu vertreten.

Fitnessfirmen wollen aber nicht mit Übergewicht in Verbindung gebracht werden – und das, obwohl sie dickere Menschen sehr wohl als Zielgruppe wahrnehmen und auf sie abzielen. Das trifft für alle großen Sportartikelmarken zu, genauso für die Fitnesscenter und die Trainingsgeräthersteller. Dicke Menschen überhaupt nur gezeigt, wenn es darum geht, Abnehmstrategien zu verkaufen – und da sieht man die Dicken nur als Vorher-Bild. Dieser von den Massenmedien verbreitete Eindruck zementiert nur die Botschaft, dass fett gleich schlecht ist.

Welche Tipps hast du, um diese Widerstände zu überwinden, und um die Freude an der Bewegung um der Bewegung willen (wieder) zu lernen?

Finde etwas, was Dir Spaß macht – Tanz, Burlesque, Yoga, Spazierengehen … Finde heraus, was deines ist, und wo du dir vorstellen kannst, es über einen längeren Zeitraum zu machen. Wenn du etwas hasst, wirst du es auf Dauer nicht machen. Noch ein Tipp: Finde Deine Menschen, deinen „Stamm“. Eine Gemeinschaft an Gleichgesinnten, die dich unterstützen und verstehen, ist im Grund das Geheimnis des Durchhaltens. Und nicht zuletzt, glaube dran, dass in dir eine Sportlerin lebt. Sag dir ein kleines Mantra vor: „Ich bin eine Athletin“. Fake it till you make it (spiel es, bis es Wirklichkeit wird).

Wie findet man dickenfreundliche eine/n Trainer/in oder Fitnesscenter? Und was ist mit anderen Sportarten, wie Yoga?

Wenn du Anfängerin bist, solltest du meiner Meinung nach ein paar Sachen durchprobieren. Yoga kann toll sein, Bootcamp auch, wenn du einen Ort wie Body Exchange findest, wo es gut gemacht wird. Fitness im Schwimmbecken oder Spinning-Kurse haben alle ihre Vorteile, probier es einfach aus, damit du eine Vorstellung davon bekommst, was du magst, und wo dich mit den Umfeld und den anderen am verbundensten spürst.

Ich wünsche allen Leserinnen des Blogs alles Gute, Gesundheit und ein glückliches Leben. Life is Limitless. (Das Leben hat keine Limits)

Mehr über Louise, ihr Blog und Ressourcen findet man auf ihrer neuen Homepage.

 

Auf die Plätze, fertig, fit: Louise bei der Arbeit
Auf die Plätze, fertig, fit: Louise bei der Arbeit