Eine kleine Zusammenfassung meiner letzten vier Wochen, oder: warum das Leben verdammt schön sein kann – auch mit Kleidergröße 50 …
MIttelaltermarkt Schloss Neugebäude, mit einer Führung durch die Schlossruine und versteckte Nebengebäude (sehr beeindruckt) / eine fast schon legendäre Party in einem Innenstadt-Dachatelier, und irgendwann um halb acht in der Früh heimkommen / die Zeit für meine Lieblingsäpfel (Gloster) ist da, aus einer kleinen Gärtnerei am Stadtrand von Wien / hübsche neue Zugaben zu meinem Kleider- und Schuhschrank / Berlin Light Fesival, von der ersten Reihe im oberen Stock eines Doppeldeckerbusses aus gesehen / Doctor Nummer zwölf und neue Folgen von Castle / anregende Gespräche mit Mitreisenden im ICE nach Hamburg / einer neuen Freundin aufs Dach steigen und die Wiener Innenstadt aus einer anderen Perspektive sehen / Schnittlauchbrezel in Berlin und Hamburg / an der Alster sitzen und Menschen beobachten / mit der neuen Kamera durch Berlin laufen und mich mit den Einstellungen spielen (es gibt wunderbar schwarzromantisch verfallene Friedhöfe in Kreuzberg) / nach dem Bänderriss zumindest wieder 4-5 cm Absätze tragen zu können /den Tag mit einem Museumsbesuch mit einer lieben Freundin beginnen / entdecken, dass knuspriges Huhn mit Erdnuss-Sauce himmlisch schmeckt / Herr der Ringe, zweites Buch lesen / Kulinarische Entdeckungen in Kreuzberg (Brezelbar, Eiskimo, und die besten Lachsmaki-Variationen des bekannten Universumsim Cube Sushi) …
ASK A FAT GIRL: Weil es an der Zeit ist, MIT UNS zu reden, statt immer nur über uns …
In meinem Fitnesscenter trainiert seit kurzem eine richtig übergewichtige Frau. Ich finde es super, dass sie sich endlich aufgerafft hat, etwas gegen ihr Problem zu tun, und will sie loben. Was sage ich am besten?
Und noch ein Beitrag für die neue österreichische Medienplatform Fisch und Fleisch – ein Essay über Spaß an Mode, Sehgewohnheiten, Mut und die allgemeine Wichtigkeit von Plus-Size-Modeblogs
Jenny Trout ist eine vielseitige und viel beschäftigte Frau – Autorin, Bloggerin, Mutter, und inzwischen auch eine viel gehörte Stimme in Sachen fat acceptance. Mit ihren Jugendromanen, Horrorstories und Liebesgeschichten hat die Amerikanerin es auf die renommierte USA Today Bestsellerliste geschafft. Ihre Bikini-Beichte und andere Essays zum Thema Plus Size und Feminismus erschienen in in amerikanischen Medien wie der Huffington Post. Erotische Liebesromane schreibt Jenny übrigens auch – unter ihrem Pseudonym Abigail Barnette. Ich freue mich, dass sie Zeit gefunden hat, sich von mir ausfragen zu lassen.
VENUS IN ECHT: Wie war dein Weg hin zur Selbstliebe?
JENNY TROUT: Ich habe mir immer gedacht, dass ich fett bin – auch, als ich es nicht war. Ich finde, das sagt wirklich viel über die Art aus, wie man uns beibringt, unsere Körper zu sehen. Ich war im Laufe der Jahre sehr oft auf Diät, und es war ein ständiger Kreislauf aus Diäten, Essattacken, wieder zunehmen, Diät, Essattacken, wieder zunehmen. Irgendwann wurde das so ermüdend, dass ich an den Punkt kam, wo ich mir dachte: Warum tue ich mir und meinem Körper das an? Warum verlasse ich diesen seltsamen Ort nicht, an dem ich bin, und lebe mein Leben, ohne ständig auf mein Gewicht fokussiert zu sein? Mir wurde klar, dass ich mit meinem Körper nicht glücklich sein würde, egal, welche Kleidergröße ich hatte, und als ich akzeptierte, dass ich nicht dem Standard von irgendjemandem anderen entsprechen müsste, wurde ich um einiges glücklicher. Und irgendwann begann ich, meinen Körper als just fine zu akzeptieren, als einfach in Ordnung.
Der Fatkini war letztes Jahr ein Riesentrend, und ich wollte unbedingt einen haben. Sie waren aber alle ausverkauft. Also dachte ich mir, ich kaufe mir nächstes Jahr einen. Meine Befürchtung war, dass ich nicht mutig sein würde, es zu tun, wenn es so weit war, also habe ich öffentlich verkündet, dass ich es tun würde, und dann dachte ich, nun, jetzt muss ich es tun.
Hast du Tipps in Sachen Selbstliebe?
Du hast nur dieses eine Leben, und diesen einen Körper. Es ist sinnlos, das zu verschwenden, in dem du dir Sorgen machst, was andere über dich sagen oder denken. Besonders, wenn du dick bist, weil die Leute dein Gewicht ohnehin kommentieren werden. Tu also was du willst, wenn man dich ohnehin kritisieren wird.
Hast du das Gefühl, dass die Vorurteile in Sachen Gewicht Dich in deinem Berufsleben hindern, oder ist der Figurentyp als amerikanische Liebesroman-Autorin nicht so wichtig?
In der Schreibbranche sieht man tendenziell Menschen mit ganz verschiedenen Figurentypen. Es gibt dünne Schriftsteller und dicke Schriftsteller, und mit Ausnahme eines fürchterlichen Erlebnisses, das ich vor Jahren bei einer Konferenz hatte, habe ich keine Negativität wegen meines Umfangs erlebt. Vielleicht ist das nicht jedermanns Erfahrung, aber ich finde, meine Branche ist in Sachen Figur eher neutral. Es hilft natürlich auch, dass wir einander nicht immer persönlich gegenüberstehen.
Mein Eindruck ist, dass body policing, also die Überwachung unserer Körper durch die Gesellschaft immer schlimmer wird, und die persönliche Freiheit angreift. Wie denkst du darüber?
Ich weiß nicht, ob es schlimmer geworden ist, weil es schon immer einen gesellschaftlichen Druck gab, sich einem Schönheitsideal unterzuordnen. Heutzutage ist es der Druck aber sicherlich stärker gegen dicke Leute gerichtet. Es gibt wirklich ein Bedürfnis von dicken Frauen da draußen, andere dicke Frauen zu sehen, dicke Menschen, die sich hinzustellen und sagen: „Wie ich behandelt werde, ist nicht in Ordnung, und meine Gesundheit und mein Körper gehen niemanden etwas an. Und wenn jemand dicken Körper gegenüber Hass und Verachtung empfindet, will ich, dass diesen Menschen klar wird, dass unser Leben nicht von ihnen und ihren Wünschen abhängt; sie beherrschen uns nicht, und die Versuche, Dicke zu kontrollieren und zu beschämen, funktionieren auf Dauer auch nicht.
Warum ist die westliche Gesellschaft so gestört, wenn es um Frauenkörper geht?
Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir in Sachen Unsicherheit auf Autopilot sind. Wir haben irgendwann gelernt, dass wir und mit uns selbst besser fühlen, wenn wir andere dazu bringen, sich schlecht zu fühlen. Ganz ehrlich ich glaube, dass das so simpel ist; wir haben einfach nicht den Wunsch, aufzuhören, uns so zu benehmen.
Du bist auch eine Kämpferin in Sachen seelischer Gesundheit. Siehst du Zusammenhänge zwischen Body Love und Herausforderungen, was psychische Erkrankungen angeht, bei dir und bei anderen?
Ich würde sagen, das hängt zusammen. Wenn du psychisch krank bist und deinen Körper hasst, wird es deinen Zustand nicht besser machen, und wenn du psychisch krank bist, ist es schwieriger, positiv zu bleiben, was das Problem noch verschärft. Wenn du psychisch krank bist, fühlst du dich ohnehin schon zerbrochen und wertlos. Wenn die Botschaft dann noch verstärkt wird …
Was hältst du von der Body Positivity-Bewegung?
Ich finde sie fantastisch. Sicher, es gibt Hürden, manche davon auch innerhalb der Bewegung. Es gibt bei manchen Menschen immer noch das Bedürfnis, die Unsicherheiten der anderen ausnützen, wenn es darum geht, „positv zu sein“. Und andere haben immer noch Grenzen, wenn es darum geht, zu wem sie positiv sei können. Aber ich finde, im Großen und Ganzen hilft es mehr und mehr, auf die problematische Art hinzuweisen, die Menschen – besonders Frauen – wegen ihrer Figur behandelt werden.
Wie gehst du mit Hatern um, online und offline?
Viele meiner Hater greifen darauf zurück, mich fett zu nennen, was langweilig ist, also denke ich nicht viel über sie nach. Ich weiß selbst schon, dass ich fett bin. Die, die wirklich zu mir durchdringen, sind Typen, die glauben, dass sie komplett mein Selbstvertrauen zerstören, indem sie mir sagen, dass sie sich sexuell nicht von mir angezogen fühlen. Es frustriert mich unendlich, dass sie weggehen und glauben, dass sie mir wehgetan hätten, und dass sie irgendwelche Macht über mich hätten. Ich muss dann offline gehen und ganz heftig stricken, um mich zu beruhigen.
Abgesehen von deinem saftigen Hirn, was magst du an deinem Körper?
Ich leide an chronischen Schmerzen, also kämpfe ich manchmal mit meinem Körper. Im Moment ist das leider so eine Phase. Ich mag aber meine Hände, weil sie mir helfen, mich durch das Scheiben auszudrücken, und ich mit ihnen stricke und Videospiele spiele.
Gibt es so etwas wie Plus Size Lebensstil, und wenn ja, was heißt das für dich?
Ich bin nicht sicher, ob ich das einen Lebensstil nennen würde. Darüber muss ich mal in Ruhe nachdenken …
Was bedeutet Mode für Dich?
Die Art, wie wir entscheiden, uns anzuziehen, und wie wir und schminken oder tätowieren oder piercen lassen, das alles soll der Welt unser wahres Ich zeigen. Es geht darum, sich mit seinem Körper künstlerisch auszudrücken.
Welche Frauen inspirieren Dich, Plus-Size oder sonst?
Melissa McCarthy, weil ich es liebe, wie lustig sie ist, und dass sie auf der Leinwand die Witze macht – sie ist nicht der Witz, nicht das Objekt. Beyoncé oder Nicki Minaj würde ich nicht als Plus Size bezeichnen, aber das sind definitiv Frauen, zu denen ich aufschauen, weil sie da draußen stehen, und furchtlos sagen: Ich liebe mich, es ist ok, mich selbst zu lieben, und ich kann mich immer noch lieben, auch wenn ich weiß, dass du dich selbst liebst. Der Selbstwert andere Frauen und dass Frauen ihre Liebe zu sich selbst ausdrücken, bedroht ihren Selbstwert nicht.
Deine liebsten Webseiten für kurvige Damen?
Momentan trage ich viel von ModCloth.com, weil es so einfach ist, festzustellen, ob mir etwas passt oder nicht, weil sie ein Bewertungs-System haben, und weil ihre Kleider supersüß sind.
Ein Tag im Leben von Jenny Trout?
Ich stehe auf, setzte die Kinder in den Schulbus, putze meine dreckige Küche, schaue etwas fern, setzte mich hin, und fange an zu arbeiten. Und dann arbeite ich mehr oder minder den ganze Tag, und ich schlafe am Abend gern beim Bob´s Burger-schauen ein. Das klingt jetzt deprimierend, aber ich lebe wirklich meinen Traum.
Dein bester Rat für angehende Liebesromanautorinnen?
Hab keine Angst, über Grenzen zu gehen. Denk außerhalb dessen, was erwartet wird, oder von dem andere Leute sagen, dass es sich verkauft. Schreib einfach die Geschichte, die du schreiben willst, weil es da draußen jemanden gibt, der sie lesen will. Bei mir haben sich übrigens des öfteren Menschen beschwert, dass es abturnend sei, wenn ich anatomisch korrekte Begriffe wie „Vulva“ und „Penis“ benütze. Ich verstehe das nicht, warum sind unsere Körper Lustkiller? Streue manchmal die echten Namen für diese Körperteile in deine sexy Szenen. Bald werden die Menschen anfangen, diese Begriffe auch sexy zu finden.
Wirst du mal einen sexy Liebesroman mit einer dicken Heldin schreiben?
Ich würde gerne eine romantische Geschichte mit einer Plus-Size-Heldin schreiben, wo ihr Gewicht nicht Teil des Plots ist. Oder dass sie sich gelegentlich mal denkt „ich bin fett“, aber ich möchte nicht, dass das die Handlung überwältigt. Ich denke, manchmal, wenn man über eine dicken Menschen schreibt, dann ist das ihre Charakterisierung und ihr Konflikt, und mehr gibt es über sie nicht zu sagen. Und das ermüdet mich, und ich will das richtig machen.
Wo kann man dich online finden?
Ich tweete viel, unter @jenny_trout, und man findet mein Blog unter jennytrout.com. Ich bin auch auf Facebook, aber das benütze ich nicht oft. Facebook macht mir Angst.
Gibt es zum Thema Body positivity noch etwas, was du gerne sagen willst?
Letzte Woche lud Bloggerin und Plus-Size-Botschafterin Tanja Marfo zum zweiten Mal zum Kurvenrausch-Fashionevent nach Hamburg. Was 2013 mit einer Modeschau begann, entwickelte sich heuer zum zweitägigen Event: den Plus Size Fashion Days.
Am ersten Tag waren Workshops angesagt: Evans präsentierte Tipps und Tricks für Bloggerinnen (sehr hilfreich), dann lud Ulla Popken zu einem Diskurs zur Zukunft der Plus Size Industrie ein (ich gestehe: ich habe diesen Workshop geschwänzt – nachdem ich am Vortag 9 Stunden im Zug gesessen bin, schrie mein Körper danach, bei Schönwetter die Alster entlangzuspazieren). Am Nachmittag verrieten Tanja und eine Visagistinnenkollegin Schmink- und Beautytipps, und lieferten auch ein paar Infos, die sogar ich nicht kannte …
Ich war die einzige Bloggerin aus Österreich, aber aus Deutschland, der Schweiz und sogar Frankreich kamen die Plus-Size-Fashionistas angereist – manche kannte ich nur durch ihr Blog bzw über Facebook, bei anderen freute ich mich, sie wiederzusehen.
Am späten Nachmittag zog ich dann mit Gaelle-Vanessa von thecurvyandcurlycloset durch die Hamburger Innenstadt, zum Kurvenhaus-Shop und seinem „jugendlicheren“ Ableger, Crispy. Auch wenn ich nichts gefunden habe, war es fein, Mode von Zizzi und Junarose und mehr in einem schönen Laden zu finden und in Ruhe anprobieren zu können. Fein fand ich auch, dass die Shops nicht nur sehr ansprechend gestaltet sind, sondern auch in der Hamburger Innenstadt liegen – Plus Size Shopping mal nicht an der Peripherie …
Am nächsten Vormittag ging es mit Shopping weiter. Ein gutes Dutzend Marken und Händler hatten ihre Stände in den Mozartsälen aufgestellt, von Ulla Popken, Sheego, Evans und Kurvenhaus über Tine Wittlers Label Kingsize Queens bis zu Adam Brodys High-End-Teilen (wunderschön, aber für jemanden, die gerade von einem Literaturstipendium lebt, nicht wirklich finanzierbar). Die Auswahl war groß, ich persönlich hätte mir noch mehr feminine Teile gewünsch – und noch mehr Umkleidemöglichkeiten und Bankomatkassen für die Händler. Fündig geworden bin ich bei Sheego, hab einen entzückenden, dunklen Jeansrock mit Stickereien mitgenommen (Fotos folgen).
Der Höhepunkt der Plus Size Fashion Days – und auch mein persönlicher Höhepunkt war die Modeschau am zweiten Abend. Endlich Plus-Models, die wirklich Plus Size sind und deren Kleidergrößen überhaupt erst dort anfangen, wo sie bei vielen „Große-Größe-Models“ aufhören, nämlich bei 42. Die Damen – eine Mischung aus Profis wie Fluvia Lacerda und Tinder Badesha – und quer durch Deutschland gecasteten Amateurinnen machten quer durch die Bank eine gute und üppige Figur, auch dank Profi-Styling und Laufstegcoaching.
Die präsentierte Mode war ziemlich vielfältig (was bei einer abendfüllenden Fashion-Show nicht überraschend war) und reichte von den Klassikern wie Sheego und Ulla Popken über nordische Label bis zu Dessous und High-End-Modellen von Adam Brody.
Noch besser als die Outfits gefiel mir – und vielen anderen Anwesenden – die Tatsache, dass endlich Models über den Laufsteg liefen, die genauso gebaut waren wie wir, und wir nicht raten mussten, wie die Kleider denn an unseren Körpern aussehen würden. Danke, liebe Tanja, und liebe Organisatoren von Plus-Size-Modeevents: bitte nachmachen.
Mein einziger Wermitstropfen: ich kam ich nicht dazu, gute Fotos zu machen. Nicht nur, dass mein iPhonechen mit der abendlichen Saalbeleuchtung ein wenig überfordert war, im ersten Teil der Show wartete ich hinter der Bühne auf meinen Auftritt – ich präsentierte zwischen zwei Showblocks meinem Roman Venus in echt. Im zweiten saß ich dann in der zweiten Reihe, von der aus man zwar prima sehen, aber nicht gut Fotos schießen konnte. Visuelle Eindrücke findet man bei meinen Mit-Bloggerinnen – viel Vergnügen!
Mein erster Bericht über die Plus Size Fashion Days #psfd in Hamburg, für die neue österreichische Medien-Plattform fischundfleisch.at
– warum Plus Size Shopping in Wien immer noch eine Qual ist und wie man es besser machen kann …
Kommentare auf der Plattform sind gerne wilkommen …