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Jenny Trout ist eine vielseitige und viel beschäftigte Frau – Autorin, Bloggerin, Mutter, und inzwischen auch eine viel gehörte Stimme in Sachen fat acceptance. Mit ihren Jugendromanen, Horrorstories und Liebesgeschichten hat die Amerikanerin es auf die renommierte USA Today Bestsellerliste geschafft. Ihre Bikini-Beichte und andere Essays zum Thema Plus Size und Feminismus erschienen in in amerikanischen Medien wie der Huffington Post. Erotische Liebesromane schreibt Jenny übrigens auch – unter ihrem Pseudonym Abigail Barnette. Ich freue mich, dass sie Zeit gefunden hat, sich von mir ausfragen zu lassen.

VENUS IN ECHT: Wie war dein Weg hin zur Selbstliebe?

JENNY TROUT: Ich habe mir immer gedacht, dass ich fett bin – auch, als ich es nicht war. Ich finde, das sagt wirklich viel über die Art aus, wie man uns beibringt, unsere Körper zu sehen. Ich war im Laufe der Jahre sehr oft auf Diät, und es war ein ständiger Kreislauf aus Diäten, Essattacken, wieder zunehmen, Diät, Essattacken, wieder zunehmen. Irgendwann wurde das so ermüdend, dass ich an den Punkt kam, wo ich mir dachte: Warum tue ich mir und meinem Körper das an? Warum verlasse ich diesen seltsamen Ort nicht, an dem ich bin, und lebe mein Leben, ohne ständig auf mein Gewicht fokussiert zu sein? Mir wurde klar, dass ich mit meinem Körper nicht glücklich sein würde, egal, welche Kleidergröße ich hatte, und als ich akzeptierte, dass ich nicht dem Standard von irgendjemandem anderen entsprechen müsste, wurde ich um einiges glücklicher. Und irgendwann begann ich, meinen Körper als just fine zu akzeptieren, als einfach in Ordnung.

Dein Hufington-Post Text über deine Fatkini-Erfahrung und die dazu gehörigen Fotos sind heuer im Sommer um die Welt gegangen. Was ist die Geschichte dahinter? Warum hast du sie gepostet?

Der Fatkini war letztes Jahr ein Riesentrend, und ich wollte unbedingt einen haben. Sie waren aber alle ausverkauft. Also dachte ich mir, ich kaufe mir nächstes Jahr einen. Meine Befürchtung war, dass ich nicht mutig sein würde, es zu tun, wenn es so weit war, also habe ich öffentlich verkündet, dass ich es tun würde, und dann dachte ich, nun, jetzt muss ich es tun.

Hast du Tipps in Sachen Selbstliebe?

Du hast nur dieses eine Leben, und diesen einen Körper. Es ist sinnlos, das zu verschwenden, in dem du dir Sorgen machst, was andere über dich sagen oder denken. Besonders, wenn du dick bist, weil die Leute dein Gewicht ohnehin kommentieren werden. Tu also was du willst, wenn man dich ohnehin kritisieren wird.

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Hast du das Gefühl, dass die Vorurteile in Sachen Gewicht Dich in deinem Berufsleben hindern, oder ist der Figurentyp als amerikanische Liebesroman-Autorin nicht so wichtig?

In der Schreibbranche sieht man tendenziell Menschen mit ganz verschiedenen Figurentypen. Es gibt dünne Schriftsteller und dicke Schriftsteller, und mit Ausnahme eines fürchterlichen Erlebnisses, das ich vor Jahren bei einer Konferenz hatte, habe ich keine Negativität wegen meines Umfangs erlebt. Vielleicht ist das nicht jedermanns Erfahrung, aber ich finde, meine Branche ist in Sachen Figur eher neutral. Es hilft natürlich auch, dass wir einander nicht immer persönlich gegenüberstehen.

Mein Eindruck ist, dass body policing, also die Überwachung unserer Körper durch die Gesellschaft immer schlimmer wird, und die persönliche Freiheit angreift. Wie denkst du darüber?

Ich weiß nicht, ob es schlimmer geworden ist, weil es schon immer einen gesellschaftlichen Druck gab, sich einem Schönheitsideal unterzuordnen. Heutzutage ist es der Druck aber sicherlich stärker gegen dicke Leute gerichtet. Es gibt wirklich ein Bedürfnis von dicken Frauen da draußen, andere dicke Frauen zu sehen, dicke Menschen, die sich hinzustellen und sagen: „Wie ich behandelt werde, ist nicht in Ordnung, und meine Gesundheit und mein Körper gehen niemanden etwas an. Und wenn jemand dicken Körper gegenüber Hass und Verachtung empfindet, will ich, dass diesen Menschen klar wird, dass unser Leben nicht von ihnen und ihren Wünschen abhängt; sie beherrschen uns nicht, und die Versuche, Dicke zu kontrollieren und zu beschämen, funktionieren auf Dauer auch nicht.

 

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Warum ist die westliche Gesellschaft so gestört, wenn es um Frauenkörper geht?

Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir in Sachen Unsicherheit auf Autopilot sind. Wir haben irgendwann gelernt, dass wir und mit uns selbst besser fühlen, wenn wir andere dazu bringen, sich schlecht zu fühlen. Ganz ehrlich ich glaube, dass das so simpel ist; wir haben einfach nicht den Wunsch, aufzuhören, uns so zu benehmen.

Du bist auch eine Kämpferin in Sachen seelischer Gesundheit. Siehst du Zusammenhänge zwischen Body Love und Herausforderungen, was psychische Erkrankungen angeht, bei dir und bei anderen?

Ich würde sagen, das hängt zusammen. Wenn du psychisch krank bist und deinen Körper hasst, wird es deinen Zustand nicht besser machen, und wenn du psychisch krank bist, ist es schwieriger, positiv zu bleiben, was das Problem noch verschärft. Wenn du psychisch krank bist, fühlst du dich ohnehin schon zerbrochen und wertlos. Wenn die Botschaft dann noch verstärkt wird …

Was hältst du von der Body Positivity-Bewegung?

Ich finde sie fantastisch. Sicher, es gibt Hürden, manche davon auch innerhalb der Bewegung. Es gibt bei manchen Menschen immer noch das Bedürfnis, die Unsicherheiten der anderen ausnützen, wenn es darum geht, „positv zu sein“. Und andere haben immer noch Grenzen, wenn es darum geht, zu wem sie positiv sei können. Aber ich finde, im Großen und Ganzen hilft es mehr und mehr, auf die problematische Art hinzuweisen, die Menschen – besonders Frauen – wegen ihrer Figur behandelt werden.

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Wie gehst du mit Hatern um, online und offline?

Viele meiner Hater greifen darauf zurück, mich fett zu nennen, was langweilig ist, also denke ich nicht viel über sie nach. Ich weiß selbst schon, dass ich fett bin. Die, die wirklich zu mir durchdringen, sind Typen, die glauben, dass sie komplett mein Selbstvertrauen zerstören, indem sie mir sagen, dass sie sich sexuell nicht von mir angezogen fühlen. Es frustriert mich unendlich, dass sie weggehen und glauben, dass sie mir wehgetan hätten, und dass sie irgendwelche Macht über mich hätten. Ich muss dann offline gehen und ganz heftig stricken, um mich zu beruhigen.

Abgesehen von deinem saftigen Hirn, was magst du an deinem Körper?

Ich leide an chronischen Schmerzen, also kämpfe ich manchmal mit meinem Körper. Im Moment ist das leider so eine Phase. Ich mag aber meine Hände, weil sie mir helfen, mich durch das Scheiben auszudrücken, und ich mit ihnen stricke und Videospiele spiele.

Gibt es so etwas wie Plus Size Lebensstil, und wenn ja, was heißt das für dich?

Ich bin nicht sicher, ob ich das einen Lebensstil nennen würde. Darüber muss ich mal in Ruhe nachdenken …

Was bedeutet Mode für Dich?

Die Art, wie wir entscheiden, uns anzuziehen, und wie wir und schminken oder tätowieren oder piercen lassen, das alles soll der Welt unser wahres Ich zeigen. Es geht darum, sich mit seinem Körper künstlerisch auszudrücken.

Welche Frauen inspirieren Dich, Plus-Size oder sonst?

Melissa McCarthy, weil ich es liebe, wie lustig sie ist, und dass sie auf der Leinwand die Witze macht – sie ist nicht der Witz, nicht das Objekt. Beyoncé oder Nicki Minaj würde ich nicht als Plus Size bezeichnen, aber das sind definitiv Frauen, zu denen ich aufschauen, weil sie da draußen stehen, und furchtlos sagen: Ich liebe mich, es ist ok, mich selbst zu lieben, und ich kann mich immer noch lieben, auch wenn ich weiß, dass du dich selbst liebst. Der Selbstwert andere Frauen und dass Frauen ihre Liebe zu sich selbst ausdrücken, bedroht ihren Selbstwert nicht.

Deine liebsten Webseiten für kurvige Damen?

Momentan trage ich viel von ModCloth.com, weil es so einfach ist, festzustellen, ob mir etwas passt oder nicht, weil sie ein Bewertungs-System haben, und weil ihre Kleider supersüß sind.

Für alle, die erotische Romane mögen, die im Gegensatz zu einem gewissen Bestseller auch gut geschrieben sind – wobei ich zugeben muss, dass mir manche Szenen einen Tick zu intensiv sind …
Für alle, die erotische Romane mögen, die im Gegensatz zu einem gewissen Bestseller auch gut geschrieben sind – wobei ich zugeben muss, dass mir manche Szenen einen Tick zu intensiv sind …

Ein Tag im Leben von Jenny Trout?

Ich stehe auf, setzte die Kinder in den Schulbus, putze meine dreckige Küche, schaue etwas fern, setzte mich hin, und fange an zu arbeiten. Und dann arbeite ich mehr oder minder den ganze Tag, und ich schlafe am Abend gern beim Bob´s Burger-schauen ein. Das klingt jetzt deprimierend, aber ich lebe wirklich meinen Traum.

Dein bester Rat für angehende Liebesromanautorinnen?

Hab keine Angst, über Grenzen zu gehen. Denk außerhalb dessen, was erwartet wird, oder von dem andere Leute sagen, dass es sich verkauft. Schreib einfach die Geschichte, die du schreiben willst, weil es da draußen jemanden gibt, der sie lesen will. Bei mir haben sich übrigens des öfteren Menschen beschwert, dass es abturnend sei, wenn ich anatomisch korrekte Begriffe wie „Vulva“ und „Penis“ benütze. Ich verstehe das nicht, warum sind unsere Körper Lustkiller? Streue manchmal die echten Namen für diese Körperteile in deine sexy Szenen. Bald werden die Menschen anfangen, diese Begriffe auch sexy zu finden.

Wirst du mal einen sexy Liebesroman mit einer dicken Heldin schreiben?

Ich würde gerne eine romantische Geschichte mit einer Plus-Size-Heldin schreiben, wo ihr Gewicht nicht Teil des Plots ist. Oder dass sie sich gelegentlich mal denkt „ich bin fett“, aber ich möchte nicht, dass das die Handlung überwältigt. Ich denke, manchmal, wenn man über eine dicken Menschen schreibt, dann ist das ihre Charakterisierung und ihr Konflikt, und mehr gibt es über sie nicht zu sagen. Und das ermüdet mich, und ich will das richtig machen.

Wo kann man dich online finden?

Ich tweete viel, unter @jenny_trout, und man findet mein Blog unter jennytrout.com. Ich bin auch auf Facebook, aber das benütze ich nicht oft. Facebook macht mir Angst.

Gibt es zum Thema Body positivity noch etwas, was du gerne sagen willst?

Ich glaube, ich habe mich schon ausgetobt – LOL!

 

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