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Burlesque

Girlcrush: The World Famous *BOB*, Burlesque-Diva (Teil 2)

 The World Famous *BOB* – (c) Deidre Schoo
The World Famous *BOB* – (c) Deidre Schoo

Teil zwei meines Interviews mit der New Yorker Burlesque-Ikone – über Rollenbilder, Dankbarkeit und süße Tierchen (Teil eins hier)

VIE: Du lässt das Thema Selbstliebe auch in deine Kunst einfließen …

World Famous *BOB*: Ich kann das gar nicht trennen – meine Kunst führte mich zu Selbstliebe, und als ich das erkannte, arbeitete ich das Thema mehr und mehr in meine Kunst ein, um mit Hilfe meiner Performance meine Geschichte zu mit den Menschen teilen.

Was hat dich zu deinen Ultimate Self Confidence (Ultimatives Selbstbewusstsein)-Workshops geführt?

Ich kam durch Jo Boobs Weldon dazu, die Direktorin und Gründerin der New York School of Burlesque und Autorin des Burlesque Handbuchs. Ich kenne sie seit 18 Jahren, aus meiner Performance Zeit – sie hat damals schon Burlesque gemacht, und einen ganztägigen Burlesque-Kurs unterrichtet – Tanz, Schminke und alles. Jo fragte mich irgendwann, ob ich eine halbe Stunde davon übernehmen will. Also dachte ich, ich unterrichte Selbstvertrauen. Als ich jünger war, hatte ich praktisch kein Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, und hatte lange darum gekämpft – es ist manchmal immer noch ein Kampf, und ich fordere mich immer wieder heraus, damit die verbliebenen Stellen und Depots an mangelndem Selbstvertrauen sichtbar werden, weil ich so nach und nach all meine Ängste in Selbstakzeptanz verwandeln kann. Ich höre also auch heute nicht auf.

Ich begann also, an der School of Burlesque zu unterrichten, und wurde ich süchtig danach – es war so aufregend.

Wie kann man sich deinen Workshop vorstellen?

Ich unterrichte in meinen „Workshop für ultimatives Selbstvertrauen“ Frauen – das heißt, alle Menschen in Frauenkörpern. Mir ist das wichtig, damit ich allen Teilnehmerinnen einen sicheren Raum bieten kann. Es gibt Menschen in Frauenkörpern, die sich nicht als Frau empfinden – die sind willkommen, genauso wie transsexuelle Frauen nach der OP.

Details verrate ich nicht, nur soviel: Es ist eine intime Erfahrung, höchstens zwölf bis vierzehn Frauen, die im Rahmen des Workshops diverse „Werkzeuge“ bekommen, die die sie nach dem Kurs benützen können, um Schritt für Schritt dorthin zu kommen, wo sie sein wollen – und der Mensch werden können, der sie sein wollen.

Man muss dazu aber nach NY kommen, beziehungsweise einen deiner Kurse besuchen, die du gibst, wenn du unterwegs bist.

Am liebsten würde ich mich ja klonen (lacht). Ich kann anderen nicht beibringen, meinen Kurs zu unterrichten, ich muss selbst da sein.

Kannst du dir vorstellen, auch online zu unterrichten?

Ich möchte sehr gerne live Onlinekurse machen, aber dazu muss die Technik noch besser werden – ich will nicht mitten im Unterrichten unterbrochen werden.

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The World Famous *BOB* in action bei der Burlesque Show nach der Body Love Conference in Tucson (c) Roland Bosma

Erzähl mir von deiner Kampagne Body Love Realness.

Man hat mich im April eingeladen, bei der Body Love Conference zu sprechen. Ich finde es sehr inspiriert, die Leitfiguren dieser Bewegung zusammenzubringen. Body Love Realness ist mein Beitrag, ein Forum für die Anführerinnen in Sachen Bodylove und Selbstakzeptanz, um online zusammenzuarbeiten, und dann auch in Person. Es geht um den Wunsch, eine wirkliche Verbindung in Sachen Body Love zu haben, und es ist auch eine Anspielung auf den Begriff „realness“ der amerikanischen queer-Community, im Sinne von schwulen,- lesben,- und transgender-freundlich.

Zum Thema pleasure, also Vergnügen: Was bereitet Dir Freude?

Es geht darum, anwesend sein, im Moment zu leben – das Gestern ist vergangen. Nur wenn ich wirklich anwesend bin, kann ich wirklich Vergnügen empfinden. Eine echte Verbindung erschaffen – spirituell oder geistig oder sinnlich. Ein authentischer Moment ist das größte Vergnügen für mich, ob in der Natur, mit Menschen oder mit Tieren (ich liebe Tiere so sehr!) Und Nachtisch, das liebe ich auch.

Wer sind deine weiblichen Vorbilder?

*BOB* mit der leider vor kurzem verstorbenen Burlesque-Legende Dixie Evans
*BOB* mit der leider vor kurzem verstorbenen Burlesque-Legende Dixie Evans

Meine Sheroes (Anm: Verbindung aus she und hero, sie und Held) sind Frauen, die durch ihr Beispiel vorangehen.

Da ist zuerst einmal Dixies Evans, die Marilyn Monroe des Burlesque. Sie ist ein riesiges Vorbild, weil sie die Flamme des Burlesque am Leben gehalten hat, nachdem die Medien und alle anderen sich davon abgewandt haben. Jetzt ist diese Kunstform wieder sehr beliebt, und ich rate jedem, der sich mit Burlesque beschäftigt, Dixie zu recherchieren. Sie hat das einzige Burlesque-Museum gegründet und betrieben, und das Erbe und die Geschichten bewahrt. Sie hat die Miss Burlesque-Messe in Las Vegas gegründet – und sie war auch eine sehr sexy Tänzerin – siehe ihre Videos auf Youtube.

Burlesque-Performerin Dirty Martini ist auch eine meiner Sheroes. Sie hat mir gezeigt, was möglich ist. Dirty kennt das Wort nein nicht – ich sage immer, das Wort perlt von ihrem G-String ab. Dann Mae West, weil sie ein Stück namens Sex geschrieben hat und dafür sogar ins Gefängnis gegangen ist. Jayne Mansfield ist eine visuelle Ikone, und sie war sehr smart, obwohl man es nicht weiß – das war in den 50-er nicht unüblich. Dann noch Jean Harlow – und Dolly Parton, auch eine meiner Heldinnen. Sie ist nicht nur unglaublich talentiert und authentisch, sie macht auch sehr viel, um anderen zu helfen. Sie ist eine spirituelle Inspiration, jeden Morgen lese ich ein Zitat von ihr – Dollyluja! An meinem 40-er war ich in Dollywood (Anm: Dolly Parton-Vergnügungspark), auf einer „spirituellen Reise“.

(Burlesque-Diva Dixie Evans, 50-er Jahre)

Was heißt Plus Size Lifestyle für dich?

Mein Lifestyle passt in keine Kategorien. Ich habe einen World Famous Lifestyle – nicht fake, sondern authentisch.

Ein paar Online- Lieblingsressourcen?

Barenecessities.com – ganz tolle Unterwäsche

Modemerr Clothing Süße, Vintage-inspirierte Sachen bis Größe 52 – und man kann sie rollen, und sie knittern nicht. Wichtig – wenn ich reise, muss ich gut ansehen-

Cute overload – wenn ich müde oder traurig oder sauer bin, hilft es mir, süße Tiere anzuschauen.

Dir ist Selbstliebe nicht nur bei verschiedenen Körpertypen wichtig, sondern auch bei verschiedenen Altersgruppen …

Es ist so wichtig, ältere MitbürgerInnen zu ehren – jeder will alt werden, aber keiner will alt sein. Wenn das Leben ein Rennen ist, sollte man bei der Ziellinie jubeln. Im Moment ist es aber so, dass es bei den meisten Menschen gegen die Ziellinie hin sehr still wird.

Unsere Jugend-bessene Kultur mit all ihrer überwältigenden, wenn auch hilfreichen Technologie übersieht, dass das Alter Wertvolles mit sich bringt. Wir verlieren durch die Technik manchmal etwas den persönlichen Kontakt, und gerade die älteren werden ausgelassen, weil sie sich nicht mehr auskennen, Angst davor haben. Bei allen unseren Kämpfen gegen Rassismus und für die Rechte von Homosexuellen und gegen die Diskriminierung verschiedener Körpertypen dürfen wir nicht auf unsere älteren Menschen vergessen.

Was sind deine Lieblingsworte, um deinen Körper zu beschreiben?

Das ist eine sehr gute Frage. Ohne Limits. Reich. Monumental. Wenn ich auf der Bühne bin: Non Stopp. Mein Körper hat keine Beschränkungen. Man denkt, es ist aus, und ich drehe mich um, und es geht noch weiter.

Außerdem: Dankbarkeit. Ich habe viele Drogen und Alkohol konsumiert, und bin seit 17 Jahren clean, und bin meinem Körper so dankbar. Ich habe ihn so viele Jahre lang missbrauch, und er ist immer noch da, und unterstützt mich. Ich habe mich und meinen Körper so lange gehasst – mein Körper war ein Gefängnis, ein Käfig, eine Verurteilung dazu, mein Leben lang weniger wert zu sein. Ich habe es gehasst, eine Frau zu sein. Außerdem auch noch dazu eine rundere Frau zu sein, das war doppelt hart. Du bist nicht nur dieses Angst machende Ding, sondern auch noch eine Version davon, die nicht anerkannt wird. So über meinen Körper zu denken und dem Schmerz lange Zeit mit Drogen zu entkommen versuchen, und dann durch die Dunkelheit durchzugehen und an einem Ort anzukommen, wo ich im Stande war, mit meinem Körper Freundschaft zu schließen – das macht mich wirklich dankbar. Viele in meinem Umfeld haben es nie durch die Dunkelheit geschafft, und sind tot. Dass ich es geschafft habe, ist ein Segen. Es ist kein Zufall – ich habe einen Auftrag.

 

Feine Dinge Freitag: WhoLust, Wurst & Weh

La Wurst bezaubert das Publikum im Wiener Stadtsaal
La Wurst bezaubert das Publikum im Wiener Stadtsaal

Zugegebenermaßen, es war es war eine von den herausfordernderen Wochen. Mein unfreiwilliger Hausarrest drohte in den letzten Tagen in Lagerkoller umzuschlagen, und ich hatte Momente, in denen ich am liebsten die Wände hochgegangen wäre (was aber nicht ging, weil: verletzter Knöchel).

Gottseidank durfte ich dann rechtszeitig zum ersten Wiener Boylesque-Festival wieder aus dem Haus humpeln (zumindest halbwegs stilecht mit Netzstrümpfen unter der Schiene). Jaques Patriaque, gemeinsam mit Kitty Willenbruch von der Salon Kitty Revue eines der Urgesteine der Wiener Burlesquegemeinde (so man bei einer recht neuen Szene überhaupt von Urgesteinen sprechen kann), hat es geschafft, die Creme de la Creme der internationalen Boylesque-Tänzer nach Wien einfliegen zu lassen, dazu (für die opening party) jede Menge exzellent sich ihrer Hüllen entledigender Damen, und als Moderatorin für beide Events die unvergleichliche NY-er Burlesquelegende The World Famous *BOB*. Ich habe vor zweieinhalb Jahren in NYC nicht nur *BOB*s kleinen und feinen selflove-Workshop besucht, sondern auch immer wieder erlebt, wie sie als hostess with the mostest ein Haus zum Kochen bringen kann (zuletzt wieder bei der Burlesque-Revue nach der Body Love Conference in Tucson im April). Ich ahnte also, was auf mich zukam. Und wurde gottseidank nicht enttäuscht.

Fascinator-ierend (Shopping-Tipp: britisches ebay). Alle Fotos (c) Rhea Krcmarova
Fascinator-ierend (Shopping-Tipp: britisches ebay). Alle Fotos (c) Rhea Krcmarova

Am ersten Abend gab es noch mehr Damen als Herren, das Programm füllhornesk überquellend mit Auftritten von glamourös über komödiantisch bis wild, mit KünstlerInnen aus halb Europa und Nordamerika. Da gab es die fast schon in Richtung performance art gehende Rubyyy Jones, die an Dita erinnernde Dragqueen Tamara Mascara, meine liebe Freunin, Bayou Mystére, die Finninen Gigi Praline (die mich mit einer Santa-Lucia-trifft-Domina-Nummer sehr zum Lachen gebracht hat) und Pepper Sparkles (Mata Hari trifft Tribal Fusion Bauchtanz) und aus Polen Pin Up Candy und Jimmy Bottle (dessen „starker Mann im Zirkus“-Nummer ein wirklicher Genuss war) und viele mehr. Und es gab auch zwei üppige Burlesquerinas, nämlich Denise Kotlett (was für ein Name) und die Waliserin Didi Curv´e, die gemeinsam mit ihrer Bühnenpartnerin Honey Holiday eine fabelhafte Stan & Olli-Nummer hinlegte.

Am zweiten Abend waren nur Herren auf der Bühne (außer *BOB*, natürlich), und ich habe mich gefreut, dass die NYer Performer, die ich in Clubs in Manhattan oder Brooklyn gesehen habe, endlich auch in Wien auftreten – so zum Beispiel Luftballonverschlinger Albert Cadabra, der tatsächlich unglaublich hübsche Mr. Gorgeous, und natürlich der Godfather of Boylesque, Tigger!. Jaques hat so viele NY-er Künstler eingeladen, dass an dem Tag wohl im ganzen Big Apple kein einziger Boylesque-Tänzer zu finden war. Die Europäer konnten mit ihren Kollegen aus Übersee aber locker mithalten, und es war ein Burlesque-Abend auf wirklich, wirklich hohem Niveu.

Als Abschlussnummer an beiden Abenden durfte Jaques´Ehefrau auftreten. Oder, besser gesagt, das Publikum durfte sich über ihren Auftritt freuen, denn die werte Frau Gemahlin ist niemand anderer als die Queen of Europe und Miss Eurovision herself – tadaaaa: Conchita Wurst. Und, was soll ich sagen? Glamour, Gänsehaut und standing ovations, und absolut mit Recht. Jeder Kritiker sollte sie mal singen hören, damit ihm klar wird, dass sie den Wettbewerb tatäschlich vollkommen redlich ersungen hat. Conchitas Auftritt ließ jedenfalls keine Fragen offen (außer vielleicht, wie sich so viel Stimme in einer doch vergleichweise zierlichen Person verstecken kann).

An beiden Abenden gab es dann noch Afterpartys, am ersten einen inoffiziellen Umtrunk in einer Spelunke nahe der Neubaugasse, am zweiten Abend (mit noch mehr Burlesque und, ja, Bürolesque) im Chaya Fuera. Und falls das Festival wie angekündigt jetzt jährlich stattfindet, kann ich jedem nur raten, sich nächstes Jahr die Karten rechtzeitig zu besorgen.

Was mir diese Woche sonst noch Freude gemacht hat: endlich dazuzukommen, mir Doctor Who anzuschauen (bin mit Donnas erstem Auftritt eingestiegen, so zur Info für alle Whovians) / Kirschen, fast glühend in prallroter Wonne / WordPress-Weiterbildung / Schinkenfleckerlexperimente / wiedersehen mit einer alten Liebe (meinem weißen MacBook) / Ja! Roggenbrot (ein Klassiker) / LeserInnenfeedback für Buch und Blog / Maibockschnitzel im Restaurant Hansy

 

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