Es war ein Foto von Plus-Model Tess Munster in meiner Facebook-Timeline, das meine Aufmerksamkeit geweckt hat. Tess zeigte sich nicht wie üblich im Vintage/Rockabilly-Look, sondern war als als eine Artemis inszeniert, in wehendem weißen Gewand und mit scharf aussehender Hellebarde in der Hand.
Tess´ Bild ist nur eines aus einer Fotoserie von ungewöhnlicher Schönheit. Guerriere nennt die amerikanische Fotografin Elizabeth Raab ihre Portraitreihe, also Kämpferin, Kriegerin. Allen Modellen ist gemeinsam, dass sie nicht den von unserer Gesellschaft geforderten Standardmaßen entsprechen. Die Frauen, die sich wie antike Göttinnen auf Chaiselounges räkeln oder mit Speer in der Hand an urzeitalte Sagengestalten erinnern, haben alle weit über Größe 42. Guerriere ist „eine Reihe von Fotoportraits von Frauen mit der klassischen, üppig weiblichen Form, die durch die Geschichte hindurch als die ultimative Darstellung von Kraft und Schönheit in Kulturen auf der ganzen Welt gesehen wird. Diese Bilder zeigen die innere Stärke, Kraft und Sinnlichkeit dieser zeitgenössischen Frauen, und wiedersprechen der heutigen Sicht, dass nur schön sein kann, wer dünn ist“, scheibt Elizabeth Raab auf ihrer Homepage. Dass Raab dicke Frauen mit der gleichen Sorgfalt und Ästhetik inszeniert wie die schlanken Frauen, die sie fotografiert, hat mich neugierig gemacht auf die Frau hinter dern Bildern …
Elizabeth Raab stammt aus dem pazifischen Nordwesten, und lebt nach einer Zwischenstation in New York im „endlosen Sommer Kaliforniens“. Ihre Fotos kann man in diversen Fotobüchern und Gallerien bewundern, sie arbeitet aber auch immer wieder mit großen Firmen zusammen. Raab beschreibt sich selbst als „warm, bright and girly“ (also warmherzig, aufgeweckt und mit einer Vorliebe für Mädchen-Dinge). Es fasziniert sie, die schönsten und attraktivsten Facetten ihrer Modelle abzubilden.
VIE: Was hat Dich zur Guerriere-Serie inspiriert?
ER: „Guerriere“, also Krigerin, ist eine Reihe von modernen fotografischen Porträts von klassisch üppigen Frauen. Diese Körperform gilt traditioneller Weise als die ultimative Darstellung von Kraft und Schönheit, und zwar quer durch alle Kulturen. Ein Besuch in jedem Kunstmuseum zeigt uns die Geschichte dieser Schönheit. Die Portraitreihe unterstreicht nicht nur die innere Stärke und die Sinnlichkeit dieser modernen Frauen. Sie ermutigt den Betrachter auch, sich über seine eigenen gesellschaftlichen Überzeugungen in Bezug auf Schönheit, Gesundheit und Individualität Gedanken zu machen – Überzeugungen, die oft von den widersprüchlichen Botschaften der heutigen Medien verbogen werden.
Wie findest du deine Modelle?
Es ist schwer zu beschreiben, wie ein Künstler eine Muse findet. Sie kommen auf eine Vielzahl von Arten, durch Freunde, Kollegen, durch Zufall. Aber wenn es passiert, ist es wirklich inspirierend und spannend!
Du zeigst PlusSize-Frauen auf eine Art, wie sie nur sehr selten gezeigt werden, vor allem in Mainstream-Medien – als stark, bezaubernd, fast im Hochglanz-Stil. Warum denkst du sind Porträts wie diese immer noch so rar?
Dass Frauen dieses Ausmaß an Selbstvertrauen und generell eine Position der Macht zeigen, ist in modernen Medien immer noch eher selten, unabhängig von Form und Größe der Frauen. Aber ich spüre, dass die Medienlandschaft sich schnell entwickelt. Wir stehen am Anfang des digitalen Zeitalters, das gerade erst beginnt, seine Möglichkeiten spielen zu lassen. Die Menschen verlangen mehr und mehr danach, Schönheit als Vielfalt und nicht als Schablone zu sehen. Sie wollen sich selbst in ihrer Werbung zu sehen. Menschen existieren schließlch nicht nur in einer Farbe, Form oder Größe, und Schönheit tut es auch nicht.
Entdecken deine Modelle (sowohl in Plus- als auch Normalgröße) neue Dinge über sich selbst und ihre Schönheit, wenn sie sich durch deine Augen sehen?
Mein Ziel als Porträtistin ist es, in allen Frauen die sinnliche, verspielte Seite herauszulocken. Wir alle haben sie. Einige von uns tun sich leichter, sie öffentlich zu zeigen als andere. Manche haben vielleicht vergessen, dass sie es sie überhaupt gibt. Aber mein Ziel ist es, die Kraft und das Anziehende an uns allen zu zeigen.
Was sind deine Lieblingsporträts von Plus-Size-Frauen? Gemälde, Fotografien ...
Ich liebe es, durch Museen oder Galerien zu streifen, die die Arbeit der alten Meister zeigen. Alle diese Frauen haben Kurven und Tiefe, die mich inspiriert. Nicht zu vergessen die Vielzahl an künstlerischen Stilen, die in die Bilder dieser Genres einfließen …
Ist die Serie komplett, oder wird es noch mehr Fotos geben?
Das ist definitiv eine fortlaufende Serie. Weil es aber eine Arbeit ist, die ich für persönlich mache, muss ich mich nicht beeilen, um sie zu vollenden. So genieße ich den Prozess, und kann der Serie immer wieder neue Stücke hinzufügen, um das Werk nach und nach zu vervollständigen.
Mehr über Elizabeth und ihre Arbeit auf elizabethraab.com