Zizzi-Modeschau bei der Curvy is sexy-Messe
Zizzi-Modeschau bei der Curvy is sexy-Messe

Während die Berliner und internationalen Modeenthusiasten mit den kleineren Kleidergrößen zwischen den Events der Berliner Fashion Week herumschwirrten, fanden sich kurvige Fashionistas – AusstellerInnen, EinkäuferInnen, Bloggerinnen, Fachpresse und mehr – in einem Palazzo an der Nobeladresse Unter den Linden ein, zur dritten Curvy is Sexy Modemesse. Dass kurvig inzwischen immer mehr in Mode kommt, merkte man daran, dass den BesucherInnen einiges geboten wurde: Über 60 internationale Aussteller, mehrere Modeschauen pro Tag, eine wirklich schöne Location, und als Schlagobershäubchen noch ein abendliches Fashion-Event von Sheego und Star-Designerin Anna Scholz, moderiert von der deutschen TV-Veteranin Frauke Ludowig.

 

(c) Rhea Krcmarova
(c) Rhea Krcmarova

Die Label, die auf der Messe verteten waren, kamen aus ganz Europa, und sogart eine Firma aus Hongkong präsentierte ihre Designs: Ophee Designs mit ihrer neuen Plus-Linie More than little. Neben den im große Größen-Sektor starken Skandinaviern wie Zizzi und Junarose gab es Firmen aus Italien, Griechenland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und mehr. Deutschland war unter anderem mit Triangle by S.Oliver, Ulla Popken, Sallie Sahne und Sheego vertreten.

Zwischen die Modehäuser mischte sich auch eine Stumpfhosen-Firma; und auch drei Schuhhersteller (Jana, JJ Footwear) fanden ihren Weg nach Berlin-Mitte, weil sie klug genug waren, zu erkennen, dass mollige Frauen häufig eine halbe Ewigkeit nach den richtigen Schuhen zu ihrem Outfit suchen. Gerade in Sachen Stiefel herrscht im Plus-Land oft modische Dürre, weil Standard-Stiefel zu schmal geschnitten sind für üppigere Waden.

Die Messe war in erster Linie für die EinkäuferInnen von Boutiquen und Modehäusern gedacht, aber ich traf auch auf ziemlich viele Bloggerinnen und Plus-Size-Aktivistinnen, und freute mich, die Frauen, deren Arbeit ich nur über das Internet kannte, auch in Person zu treffen. Allen voran Tanja Marfo von Kurvenrausch Hamburg, die ich ja vor einigen Monaten für Venus in echt interviewen konnte, und mit der ich seitdem via Mail und Skype in Kontakt war. Tanja ist eine wirklich eindrucksvolle Frau, nicht nur wegen ihrer imposanten Figur und ihrer prachtvollen Kurven …

Kurvenpower: Bloggerin Curvy Claudia und Stylistin Maria aus Berlin
Kurvenpower: Bloggerin Curvy Claudia und Stylistin Maria aus Berlin

 

Kurvenrausch indeed: Tanja Marfo
Kurvenrausch indeed: Tanja Marfo

Aber auch sonst tummelten sich auf der Messe fast alle, die sich im Deutschland in Sachen Plus Size einen Namen gemacht haben. Ich lernte Susie von Susie knows kennen, Ulrike Bartoz, die Crew des Big is Beautiful Magazins, Plus Model Christin, Stylistin Maria (spektakuläres Korsett!) Barbara von Beautiful Curvy und viele andere mehr. Aus Österreich kamen Curvy Claudia, Gaby Wally von stor> und Sabine von Lady2. (Ich habe an diesen drei Tagen so viele Bloggerinnen, Models und Powerfrauen getroffen, dass die Liste in ihrer Länge fast einem Personenverzeichnis von Game of Thrones gleicht …)

Plus-Frauen bloggen nicht nur über Mode: Twinkler von Twinkler´s Treasures ist Nailstyling-Enthusiastin
Plus-Frauen bloggen nicht nur über Mode: Twinkler von Twinkler´s Treasures ist Nailstyling-Enthusiastin

Die Mode, die präsentiert wurde, fand ich … durchwachsen. Einerseits war eine handvoll junger, stylischer Label verteten, und ich fand auch bei den meisten anderen Herstellern zumindest ein Teil, bei dem ich mir absolut vorstellen kann, dass es seinen Weg in meinen Kleiderschrank findet (bei manchen sogar mehrere, Bericht folgt). Ich sah romantische Spitzentops, wunderschöne Kunstlederjacken, interessante Röcke, schön geschnittene Kleider, fantastisch geschnittene Stiefel und mehr, und fand es schön, zu wissen, dass ich in alle Teile, die auf der Messe gezeigt werden, passe.

Ein überraschend großer Teil der gezeigten Kleidung war aber doch vergleichsweise konservativ/sportlich, und das wundert mich. Sowohl Fashionbloggerinnen als auch immer mehr (vor allem britische, amerikanische und teils auch französische) Firmen präsentieren inzwischen Plus-Mode, die jung, feminin und innovativ ist, und sich im Stil von den kleinen Größen nicht wirklich unterscheidet. Im deutschsprachigen Raum scheint der Trend aber erst sehr zögerlich anzukommen. Junge, stylishe Label gab es auf der Mese natürlich auch, sie waren meiner Meinung nach aber in der Unterzahl. Auf den Kleiderständern versteckten sich die femininen Teile zwischen vielen, vielen madamigen Stücken, die Schnitte waren zu oft kaschierend und zu wenig Kurven betonend. Auf Spitze, Pailetten, Stickereien und andere hübsche Details wurde viel zu oft verzichtet, und zwar zugunsten von wilden Muster- und Farbkombinationen, die mich an eine Atombombenexplosion im Teletubby-Land auf LSD erinnerten. (Ja, ich weiß, das ist eine gewagte Formulierung, aber im Ernst: trägt so etwas jemand unter 60 wirklich noch? Ich kenne keine dicke Frau, die sich so etwas anzieht, und schlanke schon gar nicht. Warum glauben manche Hersteller immer noch, dass sich mit dem Gewicht auch der modische Geschmack ändert? Wenn man solche Sachen bei einer Fashion-Show für kleinere Größen präsentiert, jagt einen ein mit Textilscheren und Proseccogläsern bewaffneter Mode-Mob raus, und zwar zu Recht). Vielleicht wäre es eine Idee, zwischen Mode für verschiedenen Altersgruppen zu unterscheiden …

Gooddies bags: Neopren-Shopper von Zizzi, Filztasche von Junarose, und Rebel to-Diva-Stoffbeutel von S.Oliver
Gooddies bags: Neopren-Shopper von Zizzi, Filztasche von Junarose, und Rebel to-Diva-Stoffbeutel von S.Oliver

Andere Bloggerinnen, mit denen ich sprach, teilen meine Meinung in Sachen Mode durchaus. Worüber wir uns auch einig waren: es wäre schön, wenn mehr richtige Plus-Models auf dem Laufsteg zu sehen gewesen wären. Viele Mannequins schienen mit Mühe und Not auf Größe 42 zu kommen, und trotz strategisch platzierter Windmaschine war deutlich zu sehen, dass ihnen die Kleider, die sie präsentierten, eigentlich zu groß waren. Ich frage mich, warum Models, die wirklich Plus-Size sind, auf mitteleuropäischen Laufstegen immer noch ein Tabu sind, und warum man sich bei einer Plus-Messe schon freuen muss, wenn zwei der Damen auf Größe 46 kommen. Warum nicht auch ein paar Mädels in 48 oder (gasp!) 52 auf den Laufsteg schicken? Warum engagiert man Models, bei denen sowohl die Einkäuferinnen als auch die Bloggerinnen Mühe haben, sich vorzustellen, wie die Mode an einem selbst aussehen? Würde das einen Image-Verlust bedeuten, und ist da etwas wahres dran, dass dicke Frauen keine dicken Models sehen wollen? Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass in Zukunft die Diversität über den Laufsteg stöckelt, wie es zB schon auf der Pulp Fashion Messe in Paris der Fall ist. Zumindest gab es bei einigen Firmen üppige Kleiderpuppen, an denen die Outfits sehr realistisch aussahen. Bitte mehr davon in den nächsten Jahren.

Geht doch: Plus Size Kleiderpuppen von Zizzi
Geht doch: Plus Size Kleiderpuppen von Zizzi

 

Curvy is sexy – zu sexy, offenbar, für manche anwesende Damen … (c) Rhea Krcmarova
Curvy is sexy – zu sexy, offenbar, für manche anwesende Damen … (c) Rhea Krcmarova

Ein wirklicher Wermutstropfen zum Schluss: Ja, das Publikum auf der Messe war in Sachen Figur ziemlich divers, und das ist an sich kein Problem. Einige der nettesten und kompetentesten PR-Damen, Designerinnen und Einkäuferinnen, mit denen ich sprach, waren schließlich sehr schlank.

Leider ist die Botschaft von wegen Kurvenliebe aber noch nicht bei allen schlanken Damen durchgedrungen, und es gab auch Momente, wo man sich fragte, warum einige der Beteiligten überhaupt bei einer Messe für Plus-Mode mitmachten. So beschrieb eine Dame aus dem Organisationsteam in der Cafeteria eine Ausstellerin mit einem sehr unhübschen und dickenfeindlichen Ausdruck, und zwar so, dass es die Bloggerinnen am Nebentisch nicht überhören konnten. Eine andere Dame, die für eine Modefirma arbeitet, lästerte am Abend der Modeschau vor ihren Kolleginen minutenlang über mein Dekolletee, beschrieb es als „unmöglich“ und vulgär“, und das in Hörweite einer meiner Freundinnen. Ja, mein Ausschnitt war etwas gewagt. Na, und? Mir hat es gefallen, und anderen auch. Außerdem heißt die Messe „curvy is sexy“. Wenn man ein Problem damit hat, dass kurvige Frauen sich sexy fühlen und präsentieren, hat man das Konzept nicht verstanden, sollte beim nächsten Mal daheim bleiben, und den Platz denen überlassen, die mit vollem Herzen dabei sind. Davon gibt es ja inzwischen immer mehr …