In den letzten Jahren hat sich mein Konsum von Frauen- und Fashionmagazinen definitiv sehr in Grenzen gehalten. Je länger ich mich mit Body Positivity beschäftige, desto schlechter ertrage ich die negative bis schädigende Grundaussage dieser Publikationen. Sicher, ab und an finden sich zwischen Diätjoghurtwerbung, Abnehmaktionen und diversen Celebrity Cellulite-Shots vereinzelt auch Artikel, in denen man sich zumindest ein bisschen kritisch über die herrschenden Körperbilder äußert. In denen Frauen wie ich zur Abwechslung wie ein Mensch behandelt werden und nicht nur als vorher-Bild einer Diätstory vorgeführt. Die WOMAN zB hat heuer immerhin einen Text über die wunderbare Bobby von Curvect und einen zumindest stellenweise in Richtung Body Positiivity gehende Reportage über „echte“ Frauen und ihre Orangenhaut gebracht. Beim Erscheinen von Venus in echt 2014 hatte ich ein spannendes und anregendes Gespräch mit zwei engagierten Redakteurinnen. Diese Storys weckten Hoffnungen auf ein langsames Umdenken der Journalistinnen und Heftmacherinnen.
Hoffnungen auf eine Botschaft der Selbstliebe und Selbstakzeptanz, in einer Welt, in der Diversität mehr und mehr als Makel dargestellt wird.

 

Hoffnungen, die immer wieder grausam zerstört werden. Analysiert man die Gesamtbotschaft der Zeitschriften, scheinen diese einzelnen Lichtblicke immer noch nichts als Lippenbekenntnisse, als ein Versuch, zu zeigen, dass man das Erstarken der Body Positivity Bewegung nicht vollends verschlafen hat. Die ungute Grundstimmung gegenüber Frauen, die keine Supermodeldimensionen haben und sich auch sonst trauen, anders zu sein, bleibt.

 

Jüngstes Beispiel: die aktuelle Ausgabe der oben erwähnten WOMAN. Dort findet sich recht am Anfang ein Beitrag über die Arbeit des Photoshopkünstlers Planet Hilton. Botschaft des mit „X-Mas Trauma für sie und ihn“ betitelten Texts: Damit man in der Adventszeit nicht zu viele Kekse nascht und – oh, Horror – zunimmt – soll man sich zur Abschreckung auf mollig gephotoshoppte Fotos diverser Yellow Press-Ikonen auf den Kühlschrank kleben. Die abgebildeten Doppelkinne würden einem wirksam vom Sündigen abhalten.
Ich gebe zu, ich bin enttäuscht, und ich bin entsetzt. Entsetzt darüber, in welcher dickenfeindlichen, körperfeindlichen Bubble die Redakteurin und alle übrigen Verantwortlichen leben, wenn sie es tatsächlich völlig ok finden, so etwas zu schreiben und zu publizieren. Dick zu sein – also einen Körper zu haben wie ich – ist also offiziell ein Trauma? Eines, dass man mit „kreisch“ betiteln darf? Ist es in den Augen dieser Frauen tatsächlich besser, sich selbst mit artifiziellen Feindbildern zu terrorisieren, statt sich mal ein paar Vanillekipferl zu gönnen?

 

Und nein, das ist nicht einfach nur ein witziger kleiner Artikel. Texte wie diese sind alles andere als harmlos. Worte haben Auswirkungen, liebes Woman-Team, und ich erwarte von Ihnen als gebildete Frauen und als Journalistinnen eigentlich schon, dass Sie ein Bewusstsein für die Wirkung Ihrer Worte haben.
Was Sie leider ausblenden: Das Klima gegenüber dicken Menschen hat sich in den letzen Jahren ziemlich verschärft. Mit Texten wie diesen gießen Sie noch Öl ins Feuer. Wissen Sie, was das für Folgen die allgemeine Verachtung gegenüber dicken Menschen hat? Oder finden Sie, gefangen im Irrglauben an „heilsame“ Schmach, das fatshaming sogar hilfreich und gut?

 

Reden wir Tacheles: Fatshaming schadet. Es führt zu Diskriminierung und Mobbing. Dazu, dass Betroffene sich zurückziehen, statt ihr Leben zu leben (es ist erschreckend, wie viele Frauen ich in den letzen Jahren kennen gelernt habe, die sich wegen ihrer Figur nicht mehr ins Schwimmbad trauen). Fatshaming führt zu Depressionen und Stress und Esstörungen und einer allgemeinen Verschlechterung der Lebensqualität.
Fasthaming führt dazu, dass mich immer wildfremde Menschen auf der Straße anpöbeln oder sich sonstwo erlauben, ungefragt Kommentare zu meinem Körper abzugeben. Es kostet mich Zeit und Energie, mich davon wieder zu erholen, Zeit und Energie, die ich wirklich sinnvoller einsetzen könnte (und nein, ich kann das nicht vollkommen ignorieren. Ich bin nicht aus Stein. Mich trifft das zumindest ein bisschen).
Aleppo, Trump, Rechtsextremismus? Nein, das wahre Trauma einer Fashionista ist ein Doppelkinn …
Und dieses Klima der Dickenfeindlichkeit schadet nicht nur den Betroffenen. Es schadet auch den allen. Die Zahl der Menschen mit gestörtem Essvehalten, Essstörungen und Körperwahrnehmungsstörungen nimmt seit Jahren rapide zu, und zwar bei Frauen aller Figurtypen und auch immer mehr bei Männern. Natürlich sind Krankheiten wie Bulimie und Anorexie ein hochkomplexes Problem, was diesen Essstörungen allerdings gemein ist, ist aber die Angst vor dem dick sein. Eine Angst, die von Frauenzeitschriften seit Jahrzehnten angefacht und gefördert wird.

 

Ich werde also weiter auf Frauen- und Modezeitschriften verzichten, denn es ist klar, dass sie Frauen wie mich (sprich dick und kritisch denkend) nicht als Leserin haben wollen. Mein Verzicht erfolgt nicht leichtherzig, als Fashionsta waren diese Publikationen lange ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich habe schon mit dreizehn begonnen, Modezeitschriften zu lesen. Zuerst die Miss Vogue und Cosmo, und als die deutschsprachige Ausgabe von Miss Vogue eingestellt wurde, bin ich auf Vogue, Harper`s Bazaar und Co umgestiegen. Als Modeliebhaberin habe ich die Couture-Fotos und -Reportagen geliebt, obwohl ich darunter gelitten habe, nichts und niemanden in meiner Größe abgebildet zu sehen. Trotzdem, das ästhetische Vergnügen hielt mich lange bei der Stange. Bis ich irgendwann die Körperfeindlichkeit und mangelnde Diversität dieser Publikationen einfach nicht mehr ausgehalten habe …

 

Vielleicht schaue ich mal in ein paar Jahren wieder in die WOMAN rein, und stelle fest, dass sich der Grundton gebessert hat. Viel Hoffnungen mache ich mir zwar nicht, man kann mich aber gerne überraschen … ich bringe auch Kekse mit 🙂

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken