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Radical Self Love

Neu auf Fischundfleisch: (Fr)Ess-Attacken bzw Binge Eating Disorder – Gedanken einer Ex-Betroffenen

 

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Liebe Frau Lichtner-Hoyer,

Ihr gestriger Beitrag zum Thema „Erste Hilfe bei Fressattacken“ hat in mir eine ganze Latte an Emotionen ausgelöst (gut, nicht?). Leise Ironie beiseite: Anstatt meine Antwort einfach nur in der Kommentarspalte versumpern zu lassen, hier meine Gedanken in Form meiner wöchentlichen Kolumne.

Mein erster Kritikpunkt: ich finde Ihre Wortwahl nicht unbedingt sehr sensibel. „Stopfen“, „Fressattacke“ „nachgeschoben“– würde Sie einer Bulimikerin gegenüber auch von „Kotzen“ oer „Finger in den Hals stecken“ reden? Vermutlich nicht. Wie glauben Sie, dass Betroffene sich fühlen, wenn sie das lesen? Ich bin längst geheilt, aber selbst jetzt noch zucke ich bei Ihrer Wortwahl zusammen. Ja, als Autorin bin ich sprachsensibel, aber ich finde, das kann man auch besser formulieren.

Zweitens ist das mit „Essen als Krücke“ grob vereinfacht und ungenau. Weiterlesen: Hier

PS: Die spannende Diskussion geht in den Kommentaren weiter …

Ja, bitte! This girl can Video

 

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Kurvenfrauen und Plus Size FitnessexpertInnen beschweren sich zu recht, dass die Fitnessindustrie immer nur einen bestimmten Körpertyp darstellt, und die Existenz aller SportlerInnen, die nicht aussehen wie eine Poledance-Königin oder ein Yoga-Star, der quasi im Fitnesscenter lebt, ignorieren.

Ganz anders das phantastische Video der britischen Kampagne This girl can. Der Clips zeigt Frauen aller Ethnien und aller Körpertypen beim Sport – die Yogagöttin und die Waldelfe genauso wie die mollige Tänzerin oder runde Schwimmerinnen. Man sieht Schweißflecken und vor Bewegung gut durchblutete Gesichter und Körperröllchen und Cellulite. Das Motto von This girl can: „Frauen zu inspireren, zu wackeln, sich zu schütteln und sich zu bewegen – egal, wie sie aussehen und ob sie schwitzen – und zu beweisen, dass Vorurteile eine Barriere sind, die man überwinden kann.“

Wunderbare Botschaft, liebes Team von this girl can. Bitte mehr davon.

Neu auf Fischundfleisch: Darf man Dicken nicht mehr sagen, dass sie fett sind?

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AKS A FAT GIRL: Der englische Hypnosetherapeut Steven Miller hatte die gute Idee, einen Tag auszurufen, an denen man seinen Freunden und Verwandten sagen soll, dass sie dick sind. Ich finde das toll, und verstehe nicht, warum der Mann so kritisiert wird – genau wie Fernsehstar Katie Hopkins, die wegen ihrer Zunehm- und Abnehmshow angefeindet wird. Dabei sagen die beiden doch nur die Wahrheit. Warum darf man Dicken auf einmal nicht sagen, dass sie fett sind? Das hilft ihnen doch beim Abnehmen, oder?

In Ihrer Frage verstecken sich nicht nur ein, sondern gleich mehrere dicke, fette Denkfehler. Weiterlesen: hier

Neu auf Fischundfleisch: Kaschieren? Nein, danke …

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Unglamouröse Einleitung: ich habe gestern auf Fisch und Fleisch einen Artikel gelesen und mich ziemlich darüber geärgert. Konkret geht es um den Text Mit Style durch die Weihnachtszeit. Wie man die Weihnachts-Kilos perfekt kaschiert von Andrea Unterberger. Kurzzusammenfassung: In der Weihnachtszeit werden wir alle fett – glücklicherweise können wir unsere Körper kaschieren, und zwar mit dem modischen Lagenlook oder weiten Kleidern im 70´s-Look. Ach ja, kaschieren ist gut und schön, aber aufs gesunde Essen und den Sport nicht vergessen.

Nun gehe ich mal grundsätzlich davon aus, dass der Text gut gemeint war, dass Frau Unterberger sich gedacht hat, sie könne mit ihren Tipps vielen Frauen helfen, den Stress in Sachen Körper und Weihnachtswahnsinn zu reduzieren. Weiterlesen: hier …

Spiegel und Sonnenfältchenlächeltanz: zwei Gedichte

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Foto zum Gedicht „Spiegel“ von Elvira Rajek

spiegel

er sei dein spiegel, waren ihre worte.

nun, was er schön sieht, zählt.

meine augen zählen nicht. nur wenn sie ihm gehören.

meine schönen augen, ausdruckshaft, betonend und nicht hervorgehoben.

rot gerändert habe ich sie in ehrlicher schönheit.

und sie gehören nur ihm.

 

er soll dein spiegel sein, hat sie gesagt

mein unterer rücken ist nichts wert.

es sei denn, er lässt sich herab. ihn wahrzunehmen.

mein schönes rundes hinterteil. festgewandert, in form gelaufen.

nur durch ihn wird es sichtbar.

 

doch jahre kommen. ihre macht am schwinden.

und nach und nach verblasst ihr schleier vor meinen augen.

und meine macht beginnt.

und meine schönheit beginnt.

und ich werde mein spiegel

 

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sonnenfältchenlächelkranz

lädt dich ein zu meinem Tanz

augenrahmenbilderblick

hin und her, vor und zurück

strahlekrähengrinsefuss

dreh im kreis dich voll genuss

tälerblickebergebraun

tanz die schönheit aller frau´n

wimpernfächerschattenbild

sanft und wiegend, frech und wild

sonnenfältchenlächelkranz

meiner schönheit einen tanz

 

Zur Erklärung:

Vor einigen Jahren war ich Stipendiatin des Autorentheaterprojekts wiener wortstaetten, mit deren Unterstützung ich nicht nur mein erstes Stück reigen reloaded geschrieben habe, sondern auch mein erstes großes transmediales Kunstprojekt auf die Beine stellen konnte – Schönheit zum Quadrat. Ich habe in Wien – genauer gesagt im Planquadrat der Bezirke 4/5/6 Frauenorte gesucht (vom Bauchtanzstudio über die Fußballmannschaft und das feministische Veranstaltungszentrum bis zum Ladies Only-Sexshop) und dort Frauen aller Altersgruppen und Figurentypen über ihre ganz persönliche Schönheit befragt – diese Frauen mit all ihren individuellen Geschichten und Zugängen wurden für dieses Projekt zu meinen Musen.

Von den Interviews inspiriert, habe ich Texte geschrieben (die z.T. von der Komponistin und Kontrabassistin Birgit Selhofer vertont und bei der Vernissage von uns beiden vorgetragen wurden), Videos gedreht und ein (leider nicht mehr exisiterendes) kleines Blog erstellt. Außerdem habe ich Künstlerinnen eingeladen, die Teilnehmerinnen auch zu ihren Musen werden zu lassen – so haben u.a. die Fotografin Elvira Rajek, Autorin und Malerin Julya Rabinowich, Malerin Nina Hoechtl und andere die Bilder zu meinen Texten geliefert.

Die Idee hinter Schönheit zum Quadrat war, die Frauen einzuladen, eine Muse zu werden – und sich durch den Blick eine Künsterin vielleicht ein wenig anders zu sehen. Ich bin selbst ein paar Mal Modell gestanden, und weiß, wie transformierend es sein kann, sich selbst als eine Komposition als Licht und Schatten und Farbe und Form und Negativräumen zu sehen, und wollte anderen Frauen dieses Erlebnis auch ermöglichen. Es ging darum, den sehr engen Schönheitsbegriff des Mainstreams aufzubrechen, und das an sich selbst feiern, was man mag und schön findet, und es mit anderen zu teilen …

Warum ich das poste? Weil ich sehr überlege, das Projekt in neuer Form wieder aufzunehmen … genaueres weiß ich noch nicht, nur, dass ich es Radical Muse Project nennen will …

 

 

Lieblingslinks Dezember

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Für alle, die für ein Weilchen dem Vorweihnachtswahnsinn entkommen wollen, und neugierig sind, was sich im Web in Sachen Plus Size und Body Love so tut …

Auf Deutsch:

  • Tanja von Kurvenrausch macht sich Gedanken über ihre Erfahrungen als Kandidatin bei Shopping Queen und über manche hässlichen Publikumsreaktionen
  • „Brüste, die wir in den Medien sehen, sind perfekt. Aber auch nur, weil sie per Photoshop auf Perfektion getrimmt wurden“ Brigitte-Bericht über das Fotoprojekt Bare Reality, dass echte Frauenbrüste zeigt

Auf Englisch:

  • Schwere Schummelei: Plus Size Models sind oft einfach nur schlanke Damen, die vor dem Shooting mit Polsterung dicker gemacht werden (das erklärt auch, warum „Plus“-Models so oft keinen sichtbaren Bauch haben …)
  • Warum es beim Thema Gesundheit um weit mehr als um „gesundes Essen“ geht und warum Diäten das soziale Betäubungsmittel unserer Zeit sind: Essay in der Irish Times

Movie Star by The Glamazons (Official Music Video)


Elly Kellner – Decent – Deugdelijk – English subs (2014)
Eine Plus-Frau als Werbe-Heldin? So geht´s …

Vorschau der Tanzproduktion Nothing to Lose, Sydney Festival 2015

Groß(artig)er Bauch: Klage einer Yoga-Lehrerin

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Vor einiger Zeit habe ich einen Blogpost entdeckt, in dem die amerikanische Yogini Danielle Prohom Olson, Gründerin von Body Divine Yoga sich Gedanken macht, warum in unserer Zeit gerade der Bauch so zur Problemzone hochstilisiert wird. Auch wenn ich nicht alle Statements zu einhundert Prozent teile (und die Begriffe „männlich“ und „weiblich“ im Text eher im übertragenen Sinne verstehe), finde ich den Beitrag voller interessanter Denkansätze … (Originaltext: hier)

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Achten Sie einmal auf den armen Bauch – hochgezippt und in Mieder gepresst, sein Über-Stehen verachtet. Er ist der Underdog des Körpers, aber kaum jemand verteidigt ihn – nicht einmal Yogis. Man braucht nur „Bauch und Yoga“ zu googeln, und man findet hunderte und aberhunderte Webseiten, Kurse und DVD – alle widmen sich der Aufgabe, seine fleischigen Falten unwiederbringlich wegzublasen. Heute wünschen wir uns etwas, das man Waschbrettbauch nennt, und um den zu bekommen, dreht sich alles darum, Stärke und Kraft aus der Mitte zu kultivieren, und um das dritte Chakra, den Sitz unserer Willenskraft anzuheizen.

Frauen brauchen dabei offensichtlich Hilfe. Wir sind in der Bauchgegend von Natur aus gut ausgestattet, genauso wie im Brust- und Hinternbereich – was vielleicht signalisiert, dass Sex und Fett zusammengehören sollen? Und, sehen wir den Tatsachen ins Auge, ein überfließender, wackelnder und mit Grübchen versehener Bauch bedeutet eines: dass unser Appetit Amok läuft. Es scheint sinnlos zu leugnen, dass ein Waschbrettbauch Willenskraft bedeutet, während ein üppiger Umfang darauf hinweist, dass man den geistlosen Begehren des Körpers verfallen ist. Und solch lustvolles Benehmen ist eine der Hauptvorwürfe des Patriarchats an die Frauen. Wir alle seien Fleisch gewordene Versuchung, emotional, ursprünglich, uns fehlt die Disziplin.

Genau das stört mich an den Bildern, mit denen wir von der Yoga-Marketing-Maschine gefüttert werden. Sie sprechen von einem Ideal spiritueller Disziplin, in dem das Spiel „Entsagung“ heißt. Dieses Ideal hat seine Wurzeln in einer asketischen Tradition, die das Weltliche und den Körper – insbesondere den weiblichen Körper – verachtet.

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Der Niedergang des geheiligten Bauchs

Ich finde es bezeichnend, dass der Bauch, der einst als ein Symbol von Fülle und Fruchtbarkeit verehrt wurde, heutzutage so verschmäht wird. Die frühen Kulturen der Alt- und Jungsteinzeit produzierten einen nicht versiegenden Strom an weiblichen Figuren, Wandmalereien, Keramiken und Bildern, die alle einen großen, manchmal sogar einen gewaltigen Bauch aufwiesen. Man nimmt an, dass diese Bilder die große Muttergöttin darstellen, und ihr Berg von einem Bauch sagt wenig über die Erhabenheit von Erlösungsgedanken oder die Erbsünde. In diesen alten Kulturen galt alles als heilig – die Natur, die Sterne, die Steine, die Menschen. Sie waren alle ein Teil des Körpers der Großen Muttergöttin, die Leben gab, und sie schütze und nährte und liebte uns – ohne Einschränkungen. Wenn man sie ehrte, ging es nicht um Entbehrung und Sparsamkeit oder um Gehorsam, sondern darum, das Leben zu feiern und zu spüren – hier und jetzt. Soziologen schreiben unsere prähistorische Besessenheit mit Fett der Tatsache zu, dass es Überfluss verkörperte, in einer Zeit, in der Lebensmittel rar waren. Ich glaube, dass das noch tiefere Gründe hat. Ich glaube daran, dass diese Bäuche die einzigartige weibliche Fähigkeit feierten, nicht nur die Fülle des Lebens in sich aufzunehmen, sondern auch darin zu schwelgen und sie zu feiern. Lisa Sarasohn, Autorin von The Woman’s Belly Book (Bauchbuch für Frauen) schreibt, dass der Bauch der Großen Mutter die übernatürliche und wunder-bare Verbindung der Frauen zu „der Kraft, die Leben erschafft, nährt und erneuert“ verkörpert. Die üppigen Falten deuten nicht nur ihre Fähigkeit an, sich fortpflanzen zu können, sondern auch ihre Fähigkeit, sich selbst nähren zu können, ihre Wünsche und Begehren zu spüren und zu erfüllen. Ist es also ein Wunder, fragt die Autorin, dass vom Standpunkt der patriarchalen Autoritäten, die sich bemühen, Frauen zu kontrollieren, der Bauch immer mehr zu etwas Subversivem wurde?

Es ist kein Geheimnis, dass Frauen und körperliches Begehren schon lange in einem Topf geworfen und als böse gebrandmarkt werden. Sarasohn glaubt, dass der Hass auf den Bauch Teil eines kulturellen Angriffs ist, der „Frauenkörper als Objekte sieht, die es zu kontrollieren gilt.“ Die Agenda? Einen Krieg gegen die tiefste „Wissensquelle“ einer Frau zu führen – ihren Bauch.

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Die Teilung von Geist und Körper

Laut des Autors Philip Shepherd begann dieser Krieg damit, dass man die Große Mutter und ihren den Bauch umarmenden Zugang absetzte. Während es den Anhängern der Göttin um die heilige Ver-Körperung ging, wurde mit der Ankunft der patriarchalen Götter vor ca. 2000 Jahren das Körperliche besudelt und geschändet. Shephers neues Buch New Self, New World: Recovering our Senses in the 21st Century (Neues Selbst, neue Welt: im 21. Jahrhundert seine Sinne wiederentdecken) beschreibt detailliert, wie mit dem Aufstieg des Patriarchats das Zentrum des Bewusstseins (das weibliche Zentrum des Gefühls im Bauch) seinen Weg in den maskulin-isolierten, gefühlslosen Turm unserer Kopfes zu wandern begann. Das ist wichtig, weil Frauen im Laufe der niedergeschriebenen Geschichte mit dem Leben des Körpers gleichgesetzt wurden. Der Körper – und Frauen – wurden zu gefährlichen Ablenkungen, nicht nur für Verstand, Logik und das Denken, sondern auch für die spirituelle Reinheit. In dieser neuen Weltordnung war der Körper einer Frau nicht mehr heilig, sondern ein Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung. Gott war jetzt offiziell männlich, körperlos und „irgendwo da draußen“. Daraus ergibt sich das, was Shepherd als die „Hauptwunde unserer Kultur“ bezeichnet, nämlich die Aufspaltung von Körper und Geist. Denn während der Kopf das Denken und Handeln beherrscht, ist das Zentrum des Fühlens im Bauch, in den Eingeweiden. Und was wir verloren haben, ist unsere Verbindung zum weiblichsten Aspekt des Daseins – dem Fühlen. Das ist keine metaphorische Behauptung, sondern eine physiologische Tatsache.

Zwei Gehirne – Krieg der Geschlechter?

Die moderne Forschung auf dem Gebiet Magen-Darm hat enthüllt, dass wir zwei Gehirne haben, eines in unserem Kopf, das andere in unserem Bauch. Unser Bauch ist viel mehr als ein unintelligentes Verdauungsorgan. Er enthält ein Nervensystem, dass dem Hirn neurologisch in Sachen Struktur und Funktion derart ähnlich ist, dass es unser zweites Hirn genannt wird.

Die Wände unseres Darms enthalten hunderte Millionen an Nervenzellen (mehr als in der Wirbelsäule oder im periphären Nervensystem), und ihre Aufgabe ist es nicht, nachzudenken und Vernunft walten zu lassen, sondern zu „fühlen“. Dieses zweite Hirn ist nicht der Sitz bewusster Gedanken und des Entscheidungen Treffens, sondern es für das verantwortlich, was wir als Bauchgefühl oder Bauchinstinkt kennen.

Was passiert also, wenn wir den Bauch nicht als einen intelligenten Bereich betrachten, sondern als träge Masse, der vom Denker in unserem Kopf gelenkt wird? Laut Shepherd hat uns das „eingeschlossen in den Türmen unserer Hirne, denkend, analysierend, planend und rationalisierend“ zurückgelassen, abgeschnitten von der Natur, von den Gefühlen und vom Sein an sich. Shepherd zufolge ist das Kopfhirn das Zentrum des männlichen Aspekts des Bewusstseins, und das fühlende Bauchhirn das Zentrum des weiblichen Bewusstseinsaspekts. Heutzutage scheint es normal, dass der „ideengefüllte“ Kopf über den „gefühlsgefülten“ Bauch herrschen sollte, aber Shepherd erinnert, dass, wenn wir uns unsere volle Intelligenz zurückholen wollen, jedes Hirn seine Ergänzung oder Vervollkommnung durch das andere finden muss. Trotzdem betrachten wir von unseren kopfzentrierten Standpunkt aus den Bauch als etwas, dass man überwinden muss, und identifizieren Frauen und ihren Appetit als etwas, das man gezielt kontrollieren soll.

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Der Bauch im 21. Jahrhundert

Im Bauch ist unsere körperzentrierte Weisheit zu Hause – unser Bauchwissen und unser Sinn für Selbsterhaltung. Was bedeutet es also für uns Frauen, dass die lebensbekräftigende Präsenz des Bauchs von einer flachen, fett-losen, nach innen gewölbten Fläche zwischen hervorstehenden Hüftknochen ersetzt wurde? (Anm Rhea: ich glaube nicht, dass es der Autorin darum geht, Frauen zu kritisieren, die von Natur aus so gebaut sind, sondern eher um den Zwang, dass alle so aussehen müssen). Ich frage mich, ob es eine Verbindung zwischen den Hass auf Bäuche und der Tatsache gibt, dass hauptsächlich Frauen an Ess- und Verdauungsstörungen leiden. Warum sind wir nicht im Stande, Nährenswertes zu finden?

Frauenbäuche sind biologisch dazu programmiert, rund zu sein. Ihre sanften Fettpölsterchen sind dazu gedacht, unsere Fortpflanzungsorgane zu schützen, und ohne sie geraten unsere Hormone durcheinander, und wir werden schnell unfruchtbar. Kann es sein Fehlen des Bauchs einer der Gründe sein, dass Fortpflanzungsstörungen mehr und mehr zunehmen? Ist das Fehlen des fröhlichen Wackelns einer der Gründe, warum Frauen die Hauptverbraucher von Antidepressiva sind? Oder warum mehr und mehr Teen-Mädchen sich schneiden und selbst verstümmeln? Die psychologische Diagnose dieser Mädchen ist, dass sie verzweifelt danach sind, etwas zu „fühlen“ – egal, was es ist.

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Ich weiß, dass ich wahrscheinlich eine Menge an Kommentaren bekomme, die mich darauf hinweisen, dass zu viel Bauchfett ungesund sei und auf eine Überproduktion von Insulin hinweist, das von einem zu viel an Zucker und weißen Kohlenhydraten kommt (Anm Rhea: Meinung der Autorin, nicht meine). Und während ich das diese Realität anerkenne, spricht das trotzdem nicht mein Hauptbedenken an, nämlich das tief sitzende Unbehagen unserer Kultur gegenüber unseren Bäuchen. Wie Lisa Sarasohn hinweist, haben Frauen mehr und mehr begonnen, „an einer „Männerwelt“ teilzunehmen – und der Bauch, das sprichwörtliche und symbolische Zeichen weiblicher Kraft – wurde im Idealfall unsichtbar.“

Genau deshalb möchte ich „Yoga“ und „Bauch“ googeln können, und ganz neue und revolutionäre Links finden. Links, die uns Geschichten davon erzählen, wie es ist, sich nicht an patriarchale Ideale von Bauchkontrolle anzupassen, sondern alles heraushängen zu lassen. Und ich frage Sie: um was zu überwinden bauen wir denn so viel Kraft aus der Mitte auf? Ist es nicht an der Zeit, die heutige Agenda zu hinterfragen? Wir müssen uns erinnern, dass laut Autor und Yogalehrer Julian Walker (in seinem Essay im Buch 21st Century Yoga: Culture, Politics, and Practice) in der klassischen Sichtweise „ der Sinn von Yoga darin liegt, unsere Körper, Geist, Wünsche, Besitztümer und in der Tat all unsere Natur und die physische Welt zu überwinden“. Ist das nicht eine Sichtweise, aus der heraus Frauen früher nicht einmal erlaubt war, Yoga zu praktizieren, weil man sie für unrein und unkeusch hielt?

Ist das wirklich das, was wir wollen? Unsere Fähigkeit, und selbst zu nähren, zu gedeihen, und in dieser Welt freudig anwesend zu sein, steht auf dem Spiel.

Ich finde eine brauchbare Alternative und sichtbare Rollenmodelle in der weniger anerkannten Yoga-Tradition des Tantra. Die Tantra-Praktizierenden suchten das Göttliche innerhalb des Körpers, und die Wurzeln dieser Praktiken kann man bis zu frühen, die Muttergöttin verehrenden Kulturen zurückleiten. Ihre Göttinnen der Natur, der Liebe, der irdischen Fülle, der weiblichen Weisheit wurden durch die Jahrhunderte liebevoll und übergenau auf Tempeln und in Bildhauerkunst abgebildet. Und ihre Bäuche, geschmückt, verziert und mit Juwelen eingerahmt, sind ganz eigenständige erogene Zonen. Rund und hervortretend wie die herausragenden Brüste und füllige Hüften und Hintern, sprechen sie nicht von Askese und Verneinung, sondern von sinnlichen Vergnügungen des Lebens, und von der heiligen Natur der Verkörperung.

Danke an Danielle, dass ich den Text übersetzen und mit meiner Leserinnen teilen darf.

Quellen der Originalbilder: WikiCommons, Trade India,

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Fotos von der Poetry-Performance KörperBilder

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Ein paar Eindrücke von meiner Textperformance KörperBilder im Rahmen des Vienna Video Poetry Festivals am 6.11.2014 – die Visuals stammen von 4youreye, mit denen ich das erste Mal zusammengearbeitet habe. Mein Text und die Performance beschäftigen sich mit Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit weiblicher Körper in unserer Gesellschaft und unserer versteckten Geograhie.

Ein Textauszug aus KörperBilder (c) Rhea Krcmárová, 2014

Ich vermisse die Wärme meines eigenen Körpers

Versteckt unter berührungslosen Schichten

Jede Wärmebildkamera sucht vergeblich nach mir

Gut isoliert unter meinem eigenen Schicht Schutz

Schutzspeck aus Wolle oder auch nicht

Man weiß, Kleidung soll vor Kommentaren isolieren

Daunenjacke als Gefechtsgeschütz, selbst angezüchtet

Kevlarersatz aus Textil oder aus Fleisch oder aus Haut,

Nur leider nicht ganz so wirksam

Hautsache ist, nicht auffallen, sagt die geschärfte, die gescheuchte,

Die geplagte Innenstimme

Meine Nebenschauplätze nicht zur Schau stellen

Von alten Kriegslinien, meinen Kriegslinien ablenken

Problemzonenvermeidung, raten die Medien

Kein Terrorist auf meinen Hüften

Keine Bodenluftraketen, Geiselnahmen

Geigerzähler tanzt nicht über meiner Haut

Trotzdem das Urteil, vernichtend genug: Problemzone

 

Sie nennen es

Fat talk

Ich sage

Bad talk

Ich sage

Mad talk

 

Irgendwer sagte einmal, die inneren Werte sind zu zählen.

Heute will man Haut sehen.

Nur nicht irgendeine.

Nur nicht meine, und die von den Meinen.

Sichtbar

Sich bar

Barstellen

Barhäuptig

Barbrüstig

Aber nur, ohne selbst daran gefallen zu finden

 

Ich soll mich hautlos fortbewegen, wenn es nach Mehrheit der Meinungen geht.

Aber ich weigere mich.

Unsichtbarkeit mag für andere Schutz sein.

Mir und meinem Wesen liegt sie nicht.

 

Ich will mich nicht mit Flüssen vergleichen müssen

Die unter der Erde fließen

Deren Lauf man nur ahnt

Die aufscheinen auf Landkarten als wage Punkte

Wenn überhaupt

Unerforschbar

Interessant nur für eingeweihte Kreise

Weil ohne auf den ersten Blick erkennbare Werte

Panta rhei

Alles fliest

Aber nur unter der Erde

Und wenn ich irgendwann ins Meer münde,

oder mich mit dem Lauf eines anderen Flusses verbinde

habe ich nie existiert

Weil niemand je nach mir gesucht hat

Lieber den zögerlichen Bachlauf, Bauchlauf an der Oberfläche sehen, sagt man

Als füllige Gewässer unter der Erde

Neugier hat im Durchschnitt noch nie eine Rolle gespielt

Nur, was sichtbar sein darf, zählt

Darum verlasse ich mein Wasser-Bett in der Höhle

Nehme meinen Platz in der Geographie der Welt ein

Amazone wird zum Amazonas

So breit und so fett, wie es ihr zusteht

Nebenarme, Deltas, nährend, tödlich, entsprechend gewaltig

Eine Göttin, weiß man, steht am Anfang jeden Flusses

Sie nimmt den Raum ein, der ihr zusteht

Fließt durch alle Landschaften, StadtFeldBerg,

 

Ich bin Sedna, die vom Grund,

Die ihre Finger, ihre Tentakel und ihre Gedanken abschneidet,

Und die blutigen Gliederreste werden zu Fischen und Quallen und Seehunden

Wenigstens zu etwas nützlich

Wenn ich schon kein Planet bin, der zählt

 

Acht oder neun Planeten, nur eine Göttin

Die Schöne, selbstverständlich

Die Klugen und Starken und Bewaffneten und Mütter und die Schöpferinnen und die dunklen Versucherinnen

Sind Trabanten, wenn denn überhaupt

Kaum sichtbare Himmelskörper

Oberflächen ohne eigene Umlaufbahn

 

Man hat uns eine Dreifaltigkeit aufgezwungen

Und unsere eigene kastriert

Nur die junge Göttin ist sichtbar, ist frisch und naiv

Die Mutter wird auf Nutzen überprüft

Die Alte wird verleugnet

Hebe Sheila

Hekate

Zeig dein alterndes Geschlecht

Das Loch zwischen den Welten, den Übergang

Zeigt es euren Enkeltöchtern, wie man es richtig macht

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Neu auf fischundfleisch: Wohlfühlen in einem dicken Körper

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Wenn ich Dicke sehe, die behaupten, sich in ihrem Körper wohl zu fühlen, regt mich das immer total auf. Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen – ich habe mich schon während meiner Schwangerschaft total unwohl gefühlt. Ich steh mit meiner Meinung nicht alleine da: eine Freundin ist dick und mag ihren Körper nicht, und die findet auch, dass diese angeblich glücklichen Dicken sich was vorlügen.

Du hast das Schlüsselwort zur Antwort selbst geliefert: DU kannst DIR das nicht vorstellen. Und das ist das Kernproblem der ganzen Diskussion. Weiterlesen: hier.