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Radical Self Love

Girlcrush: Jenny Trout, Autorin und Bloggerin

 

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Jenny Trout ist eine vielseitige und viel beschäftigte Frau – Autorin, Bloggerin, Mutter, und inzwischen auch eine viel gehörte Stimme in Sachen fat acceptance. Mit ihren Jugendromanen, Horrorstories und Liebesgeschichten hat die Amerikanerin es auf die renommierte USA Today Bestsellerliste geschafft. Ihre Bikini-Beichte und andere Essays zum Thema Plus Size und Feminismus erschienen in in amerikanischen Medien wie der Huffington Post. Erotische Liebesromane schreibt Jenny übrigens auch – unter ihrem Pseudonym Abigail Barnette. Ich freue mich, dass sie Zeit gefunden hat, sich von mir ausfragen zu lassen.

VENUS IN ECHT: Wie war dein Weg hin zur Selbstliebe?

JENNY TROUT: Ich habe mir immer gedacht, dass ich fett bin – auch, als ich es nicht war. Ich finde, das sagt wirklich viel über die Art aus, wie man uns beibringt, unsere Körper zu sehen. Ich war im Laufe der Jahre sehr oft auf Diät, und es war ein ständiger Kreislauf aus Diäten, Essattacken, wieder zunehmen, Diät, Essattacken, wieder zunehmen. Irgendwann wurde das so ermüdend, dass ich an den Punkt kam, wo ich mir dachte: Warum tue ich mir und meinem Körper das an? Warum verlasse ich diesen seltsamen Ort nicht, an dem ich bin, und lebe mein Leben, ohne ständig auf mein Gewicht fokussiert zu sein? Mir wurde klar, dass ich mit meinem Körper nicht glücklich sein würde, egal, welche Kleidergröße ich hatte, und als ich akzeptierte, dass ich nicht dem Standard von irgendjemandem anderen entsprechen müsste, wurde ich um einiges glücklicher. Und irgendwann begann ich, meinen Körper als just fine zu akzeptieren, als einfach in Ordnung.

Dein Hufington-Post Text über deine Fatkini-Erfahrung und die dazu gehörigen Fotos sind heuer im Sommer um die Welt gegangen. Was ist die Geschichte dahinter? Warum hast du sie gepostet?

Der Fatkini war letztes Jahr ein Riesentrend, und ich wollte unbedingt einen haben. Sie waren aber alle ausverkauft. Also dachte ich mir, ich kaufe mir nächstes Jahr einen. Meine Befürchtung war, dass ich nicht mutig sein würde, es zu tun, wenn es so weit war, also habe ich öffentlich verkündet, dass ich es tun würde, und dann dachte ich, nun, jetzt muss ich es tun.

Hast du Tipps in Sachen Selbstliebe?

Du hast nur dieses eine Leben, und diesen einen Körper. Es ist sinnlos, das zu verschwenden, in dem du dir Sorgen machst, was andere über dich sagen oder denken. Besonders, wenn du dick bist, weil die Leute dein Gewicht ohnehin kommentieren werden. Tu also was du willst, wenn man dich ohnehin kritisieren wird.

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Hast du das Gefühl, dass die Vorurteile in Sachen Gewicht Dich in deinem Berufsleben hindern, oder ist der Figurentyp als amerikanische Liebesroman-Autorin nicht so wichtig?

In der Schreibbranche sieht man tendenziell Menschen mit ganz verschiedenen Figurentypen. Es gibt dünne Schriftsteller und dicke Schriftsteller, und mit Ausnahme eines fürchterlichen Erlebnisses, das ich vor Jahren bei einer Konferenz hatte, habe ich keine Negativität wegen meines Umfangs erlebt. Vielleicht ist das nicht jedermanns Erfahrung, aber ich finde, meine Branche ist in Sachen Figur eher neutral. Es hilft natürlich auch, dass wir einander nicht immer persönlich gegenüberstehen.

Mein Eindruck ist, dass body policing, also die Überwachung unserer Körper durch die Gesellschaft immer schlimmer wird, und die persönliche Freiheit angreift. Wie denkst du darüber?

Ich weiß nicht, ob es schlimmer geworden ist, weil es schon immer einen gesellschaftlichen Druck gab, sich einem Schönheitsideal unterzuordnen. Heutzutage ist es der Druck aber sicherlich stärker gegen dicke Leute gerichtet. Es gibt wirklich ein Bedürfnis von dicken Frauen da draußen, andere dicke Frauen zu sehen, dicke Menschen, die sich hinzustellen und sagen: „Wie ich behandelt werde, ist nicht in Ordnung, und meine Gesundheit und mein Körper gehen niemanden etwas an. Und wenn jemand dicken Körper gegenüber Hass und Verachtung empfindet, will ich, dass diesen Menschen klar wird, dass unser Leben nicht von ihnen und ihren Wünschen abhängt; sie beherrschen uns nicht, und die Versuche, Dicke zu kontrollieren und zu beschämen, funktionieren auf Dauer auch nicht.

 

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Warum ist die westliche Gesellschaft so gestört, wenn es um Frauenkörper geht?

Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir in Sachen Unsicherheit auf Autopilot sind. Wir haben irgendwann gelernt, dass wir und mit uns selbst besser fühlen, wenn wir andere dazu bringen, sich schlecht zu fühlen. Ganz ehrlich ich glaube, dass das so simpel ist; wir haben einfach nicht den Wunsch, aufzuhören, uns so zu benehmen.

Du bist auch eine Kämpferin in Sachen seelischer Gesundheit. Siehst du Zusammenhänge zwischen Body Love und Herausforderungen, was psychische Erkrankungen angeht, bei dir und bei anderen?

Ich würde sagen, das hängt zusammen. Wenn du psychisch krank bist und deinen Körper hasst, wird es deinen Zustand nicht besser machen, und wenn du psychisch krank bist, ist es schwieriger, positiv zu bleiben, was das Problem noch verschärft. Wenn du psychisch krank bist, fühlst du dich ohnehin schon zerbrochen und wertlos. Wenn die Botschaft dann noch verstärkt wird …

Was hältst du von der Body Positivity-Bewegung?

Ich finde sie fantastisch. Sicher, es gibt Hürden, manche davon auch innerhalb der Bewegung. Es gibt bei manchen Menschen immer noch das Bedürfnis, die Unsicherheiten der anderen ausnützen, wenn es darum geht, „positv zu sein“. Und andere haben immer noch Grenzen, wenn es darum geht, zu wem sie positiv sei können. Aber ich finde, im Großen und Ganzen hilft es mehr und mehr, auf die problematische Art hinzuweisen, die Menschen – besonders Frauen – wegen ihrer Figur behandelt werden.

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Wie gehst du mit Hatern um, online und offline?

Viele meiner Hater greifen darauf zurück, mich fett zu nennen, was langweilig ist, also denke ich nicht viel über sie nach. Ich weiß selbst schon, dass ich fett bin. Die, die wirklich zu mir durchdringen, sind Typen, die glauben, dass sie komplett mein Selbstvertrauen zerstören, indem sie mir sagen, dass sie sich sexuell nicht von mir angezogen fühlen. Es frustriert mich unendlich, dass sie weggehen und glauben, dass sie mir wehgetan hätten, und dass sie irgendwelche Macht über mich hätten. Ich muss dann offline gehen und ganz heftig stricken, um mich zu beruhigen.

Abgesehen von deinem saftigen Hirn, was magst du an deinem Körper?

Ich leide an chronischen Schmerzen, also kämpfe ich manchmal mit meinem Körper. Im Moment ist das leider so eine Phase. Ich mag aber meine Hände, weil sie mir helfen, mich durch das Scheiben auszudrücken, und ich mit ihnen stricke und Videospiele spiele.

Gibt es so etwas wie Plus Size Lebensstil, und wenn ja, was heißt das für dich?

Ich bin nicht sicher, ob ich das einen Lebensstil nennen würde. Darüber muss ich mal in Ruhe nachdenken …

Was bedeutet Mode für Dich?

Die Art, wie wir entscheiden, uns anzuziehen, und wie wir und schminken oder tätowieren oder piercen lassen, das alles soll der Welt unser wahres Ich zeigen. Es geht darum, sich mit seinem Körper künstlerisch auszudrücken.

Welche Frauen inspirieren Dich, Plus-Size oder sonst?

Melissa McCarthy, weil ich es liebe, wie lustig sie ist, und dass sie auf der Leinwand die Witze macht – sie ist nicht der Witz, nicht das Objekt. Beyoncé oder Nicki Minaj würde ich nicht als Plus Size bezeichnen, aber das sind definitiv Frauen, zu denen ich aufschauen, weil sie da draußen stehen, und furchtlos sagen: Ich liebe mich, es ist ok, mich selbst zu lieben, und ich kann mich immer noch lieben, auch wenn ich weiß, dass du dich selbst liebst. Der Selbstwert andere Frauen und dass Frauen ihre Liebe zu sich selbst ausdrücken, bedroht ihren Selbstwert nicht.

Deine liebsten Webseiten für kurvige Damen?

Momentan trage ich viel von ModCloth.com, weil es so einfach ist, festzustellen, ob mir etwas passt oder nicht, weil sie ein Bewertungs-System haben, und weil ihre Kleider supersüß sind.

Für alle, die erotische Romane mögen, die im Gegensatz zu einem gewissen Bestseller auch gut geschrieben sind – wobei ich zugeben muss, dass mir manche Szenen einen Tick zu intensiv sind …
Für alle, die erotische Romane mögen, die im Gegensatz zu einem gewissen Bestseller auch gut geschrieben sind – wobei ich zugeben muss, dass mir manche Szenen einen Tick zu intensiv sind …

Ein Tag im Leben von Jenny Trout?

Ich stehe auf, setzte die Kinder in den Schulbus, putze meine dreckige Küche, schaue etwas fern, setzte mich hin, und fange an zu arbeiten. Und dann arbeite ich mehr oder minder den ganze Tag, und ich schlafe am Abend gern beim Bob´s Burger-schauen ein. Das klingt jetzt deprimierend, aber ich lebe wirklich meinen Traum.

Dein bester Rat für angehende Liebesromanautorinnen?

Hab keine Angst, über Grenzen zu gehen. Denk außerhalb dessen, was erwartet wird, oder von dem andere Leute sagen, dass es sich verkauft. Schreib einfach die Geschichte, die du schreiben willst, weil es da draußen jemanden gibt, der sie lesen will. Bei mir haben sich übrigens des öfteren Menschen beschwert, dass es abturnend sei, wenn ich anatomisch korrekte Begriffe wie „Vulva“ und „Penis“ benütze. Ich verstehe das nicht, warum sind unsere Körper Lustkiller? Streue manchmal die echten Namen für diese Körperteile in deine sexy Szenen. Bald werden die Menschen anfangen, diese Begriffe auch sexy zu finden.

Wirst du mal einen sexy Liebesroman mit einer dicken Heldin schreiben?

Ich würde gerne eine romantische Geschichte mit einer Plus-Size-Heldin schreiben, wo ihr Gewicht nicht Teil des Plots ist. Oder dass sie sich gelegentlich mal denkt „ich bin fett“, aber ich möchte nicht, dass das die Handlung überwältigt. Ich denke, manchmal, wenn man über eine dicken Menschen schreibt, dann ist das ihre Charakterisierung und ihr Konflikt, und mehr gibt es über sie nicht zu sagen. Und das ermüdet mich, und ich will das richtig machen.

Wo kann man dich online finden?

Ich tweete viel, unter @jenny_trout, und man findet mein Blog unter jennytrout.com. Ich bin auch auf Facebook, aber das benütze ich nicht oft. Facebook macht mir Angst.

Gibt es zum Thema Body positivity noch etwas, was du gerne sagen willst?

Ich glaube, ich habe mich schon ausgetobt – LOL!

 

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Girlcrush: Hanne Blank

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Zu behaupten, Hanne Blank hätte mein Leben gerettet, ist vielleicht etwas übertrieben, aber ihr Buch Big Big Love war ein wichtiger Schritt auf meinem Weg zur Heilung. Als ich mit Anfang 20 mit PCOS (also eine Hormonstörung, die sich u.a. durch Eierstockzysten und schnelle Gewichtszunahme ausdrückt) diagnostiziert wurde, wusste ich nicht, was das eigentlich bedeutete. Meine Gynäkologin verschrieb mir die Pille, sagte mir, ich könnte wohl auf natürlichem Weg nicht schwanger werden, und das war es. Da in meinem Umfeld auch niemand Bescheid wusste und das Netz noch nicht mit medizinischen Infos vollgestopft war, nahm ich es hin, froh, dass es mir durch die Hormonbombe namens Diane zumindest psychisch ein wenig besser ging und ich nicht mehr drei Monate lang durchblutete.

Drei oder vier Jahre später, nach einem Burnout und schon auf meinem Weg aus der Essstörung und dem Selbsthass, fand ich Hanne Blanks Buch, und darin unter anderem Infos über PCOS, über den Zusammenhang mit Insulinresistenz und meinem Gewicht und mehr. Mir wurde klar, dass ich nicht alleine bin, dass zwischen 5 und 10% der Frauen unter PCOS litten. Ich fing an zu recherchieren (gottseidank hatte sich im Web in der Zwischenzeit vieles getan), mich durch dicke engliche Fachbücher durchzubeißen, und fand einen Gynäkologen, der mich von der Pille zu Progesteron wechseln ließ (Merke: wenn Du nach drei Nachmittagen im Netz mehr über deinen Zustand weißt als dein Arzt / deine Ärztin, ist es eine gute Zeit, zu gehen).

Dass sich meine Hormone inzwischen beruhigt haben, ich das Progesteron nach ein paar Jahren langsam absetzen konnte und seit einigen Jahren sogar (yep, nennen wir es ruhig ein kleines Wunder) symptomfrei bin, habe ich unter anderem Hanne Blank und ihrem wunderbaren Buch zu verdanken. Bei meiner Recherche für meinen Roman Venus in echt habe ich dann die völlig umbearbeitete Neuauflage von Big Big Love entdeckt, und Hannes neues Buch, The Unapologetic Fat Girl’s Guide to Exercise and Other Incendiary Acts (mehr darüber demnächst).

Hanne Blank ist nicht nur eine kluge, gewitzte Frau, sondern eine Denkerin, die es schafft, diverse Welten und Themen unter einen Hut zu bringen. Das merkt man auch daran, dass ihre Texte in so unterschiedlichen Zeitschriften wie dem Penthouse und dem feministischen Magazin Bitch erscheinen. Sie beschreibt sich die als eine Frau, die ihre Zeit dort verbringt, wo die Themen Körper, Selbst und Kultur einander berühren. Sie denkt darüber nach, studiert, schreibt und hält Vorträge.

Lustvoll balanciert sie zwischen Mainstream und akademischen Kreisen und über dem Abgrund zwischen Körper und Geist. Sie veröffentlichte (unter anderem) historische Werke über die (überraschend kurze) Geschichte der Heterosexualität (Straight: The Surprisingly Short History of Heterosexuality) und die der Jungfräulichkeit (Virgin: The Untouched History). Ihre Bücher zum Thema Körper und Akzeptanz The Unapologetic Fat Girl’s Guide to Exercise and Other Incendiary Acts und Big Big Love: A Sex and Relationships Guide for People of Size (and Those Who Love Them) sind inzwischen Klassiker.

Hanne lehrte lange am Institute for Teaching and Research on Women an der Towson University. Seitdem unterrichte sie an diversen Hochschulen, unter anderem Brandeis and Tufts. Zur Zeit arbeitet sie an ihrer Doktorarbeit in Geschichten an der Emory University in Atlanta, Georgia.

 

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Erzählen Sie mir bitte von Ihrem Weg zur Selbstliebe.

Ich weiß nicht, ob ich einen habe. Bei mir ist es eher eine Kombination aus lebenslanger Verwirrung und Ärger darüber, wie ich und andere Leute behandelt wurden und werden, weil wir körperlich anders sind – einschließlich, aber nicht ausschließlich, weil wir fett sind.

Alles, was ich in Sachen Aktivismus rund um dicke Körper gemacht habe, stammt daher, weil ich frustriert und wütend darüber bin und auch nicht verstehe, warum dicke Menschen und ihre Körper so massiv mies behandelt werden.

Mich frustriert es manchmal, dass beim Thema Selbstakzeptanz oft von einer „Reise“ gesprochen wird, als wäre es eine lineare, eine gerade Bewegung, die bestimmt ist, an einem bestimmten Punkt zu enden. Das ist es nicht. Es gibt keinen magischen Ort, an dem du ankommst und wo alles wunderschön ist und wo dir nichts mehr weh tut, weil du gelernt hast, dich einfach selbst zu lieben oder zu akzeptieren. Was es gibt, ist die Möglichkeit, zu lernen, besser mit allem umzugehen, seine Grenzen besser zu setzen, sich trotz allem selbst zu respektieren und zu schätzen, und sein Leben weiterzuleben.

Statt body love bevorzugen Sie das Wort Respekt. Warum das?

Vereinfacht gesagt, weil Respekt einen weiter bringt als Liebe, und es viel realistischer ist, von sich selbst Respekt zu erwarten als Liebe. Liebe ist ein Gefühl. Man kann sich (oder jemanden anderen) nicht dazu zwingen, ein bestimmtes Gefühl zu einem bestimmten Thema und zu einem bestimmten Zeitpunkt zu empfinden. Respekt ist eine Einstellung, eine Reihe an verschiedenen Zugängen zu etwas. Man kann sich tatsächlich auf Aufforderung hin respektvoll benehmen. Man kann auch etwas respektieren, was man nicht unbedingt mag oder genießt. Viele Menschen mögen ihre Körper nicht, und wollen oder können sie nicht genießen. Das kann sie daran hindern, ihre Körper zu lieben. Respekt verlangt nicht und setzt nicht voraus, das man etwas liebt. Man kann sich und seinen Körper trotzdem respektvoll behandeln.

Was hat Sie motiviert, The Unapologetic Fat Girl’s Guide to Exercise and Other Incendiary Acts (In etwa: Ein Handbuch für Sport und andere aufwieglerische Aktionen für dicke Mädels, die sich nicht entschuldigen) zu schreiben.

Als jemand, die regelmäßig trainiert und fett ist, habe ich mir gedacht, wie nett es wäre, ein Buch zum Thema Sport zu haben, wo keine Unterstellungen über darüber gemacht würden, warum man trainiert, und das einfach nur aufmunternd und hilfreich ist. Ich habe mir auch überlegt, was für eine Art von Buch ich hilfreich gefunden hätte, als ich mit dem Sport angefangen habe.

Was für Workout haben Sie am liebsten, und warum?

Ich gehe viel, benütze einen Crosstrainer, hebe Gewichte, und manchmal schwimme ich, oder/und mache kräftigendes Yoga. Ich trainiere am liebsten alleine, und ich mag Sportarten, bei denen ich den Rest der Welt quasi meditativ ausschließen kann. Bewegungen, sie sich wiederholen, finde ich beruhigend und entspannend

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Welche Wörter würden Sie benützen, um sich zu beschreiben?

Weiß. Weiblich. Fett. Cisgender. Tätowiert. Femme. (Anm. Cisgender ist das Gegenteil von Transgender, also Menschen, die z.B .als Frau geboren wurden und sich auch so empfinden).

Was halten Sie vom Wörtchen fett?

Ich denke, es ist ein robustes und nützliches kleines Wort. Es hat einen so viel schlechteren Ruf, als es verdienst, weil Leute darauf bestehen, es als Beleidigung und als Waffe zu verwenden. Ich benütze es frei und akkurat und positiv, und das sollten alle tun.

Welche Frauen finden Sie inspirierend (egal ob kurvig oder nicht).

Frauen, die ihr Leben gut leben, die wild und leidenschaftlich lieben, die daran arbeiten, die Welt als einen besseren Ort zu hinterlassen, als sie ihn vorgefunden haben. Ich habe die Ehre, viele solche Frauen zu kennen. Namen aufzuzählen scheint mir zu nahe an einem Beliebtheitswettbewerb, und außerdem, die meisten Frauen, die mich inspirieren, sind keine Menschen, deren Namen jedermann kennt. Sie dürfen mir aber glauben, sie sind wundervoll.

Was sind Ihre liebsten Online-Ressourcen für Frauen, kurvig oder nicht?

Die wenigsten meiner Ressourcen sind nur für ein Geschlecht bestimmt … ich habe aber ein paar feministische Blogs ziemlich lieb: Crunk Feminism, Sociological Images – solche Sachen.

Woran arbeiten Sie gerade?

An meiner Doktorarbeit über die feministische / lesbisch-feministische Geschichte von Gesundheit. Dann an einem Nebenprojekt zur Geschichte von Trauma als Diagnose. An Essays über Feminismus und Homosexualität. An Essays über das Singen. An einem langen Essay über M.F.K. Fisher, der diesen Herbst erscheint, und ich überlege mir, begleitend Essays über Clementine Paddleford and Julia Child zu schreiben.

Wo können meine Leserinnen Sie online finden?

Am besten auf Facebook, oder meiner Homepage. Manchmal bin ich auch auf Twitter.

Gibt es noch etwas, was Ihnen in der Seele brennt und Sie meinen LeserInnen sagen wollen?

Macht, was eure Seele glücklich macht. Fett zu sein ist so ein langweiliger Grund, um es nicht wenigstens zu versuchen.

Wo sie recht hat …

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The Expose Project: Frauenkörper, ungeschönt …

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Foto Liora K.

Triggerwarnung: Viele, viele nackte Frauen. Und null Photoshop.

Seien wir ehrlich: Wenn wir eine Zeitschrift aufschlagen, den Fernseher aufdrehen oder ins Kino gehen: finden wir uns wieder? Wie oft sehen wir in den Mainstream-Medien Frauen, die so aussehen, wie du und ich? Die Antwort auf diese Frage lautet in der Regel: relativ selten bis fast gar nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe. Nicht nur, dass Medien überdurchschnittlich oft nur einen einzigen Körpertyp abbilden, der gerade einmal 5% der weiblichen Bevölkerung entspricht. Selbst diese „Ausnahmekörper“ werden in der Regel noch intensiv durch digitale Bildbearbeitungsprozesse gejagt. Mit dem Ergebnis, dass „echte“ Frauenkörper in den Medien eine seltene Erscheinung sind. Und, nein, mit „echt“ meine ich nicht (nur) Plus Size, sondern Frauen, die man im täglichen Leben sieht. Frauen, die Bäuchlein haben, oder ganz kleine Brüste, oder Fältchen um die Augen, oder unregelmäßig pigemtierte Haut, oder Leberflecken und Dellen und Schwangerschaftsstreifen und Narben und blaue Flecken und Sommersprossen und und und … Eben Frauen wie Du und ich und so ziemlich alle anderen …

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The Expose Project von Fotografin Liora K. und Bloggerin und Aktivistin Jes Baker möchte die anderen 95% der Frauen sichtbar machen. Für Jes (die Gründerin der Body Love Conference) und Liora haben sich fast einhundert Frauen so gezeigt, wie sie sind. Nackt, stolz, schön, fröhlich, verletzlich … Enstanden sind wunderbare Fotos, und ich freue mich, sie zeigen zu können. Nicht, das mich die Kraft der Bilder überrascht. Ich habe Liora und Jes im April in Tucson kennen lernen dürfen, und sie als kluge, energetische Aktivistinnen und Botschafterinnen der Body Love Bewegung kennen gelernt.

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„Wir wissen alle, dass das, was wir in den Medien zeigt, nicht die ganze Story ist“ beschreibt Jes die Philosophie hinter dem Projekt. „Und weil wir sehen, was wir sehen (beziehungweise nicht sehen), fangen wir an zu glauben, dass wir die einzigen sind, die diese Art von Schwangerschaftsstreifen haben. Oder ungleichmäßige Brüste. Oder Narben auf der Beinen. Oder asymmetrische Brustwarzen. Oder diese Art von Bauch. Oder Körperbehaarung. Oder unser was-auch-immer-es-ist-das-man-nirgendwo-anders-sieht … Wir sehen sehr selten die schöne und komplexe Kombination der Körperteile, die uns so großartig machen. Und wir fühlen und alleine in und mit unserem Körper, haben das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Die Wahrheit ist aber: wir sind mehr als gut genug. Und wir sind nicht alleine.“

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Liora schreibt auf ihrem Blog über das Projekt: „Was mir wirklich wichtig war: ich wollte den Frauen in der Zeit verständlich machen, das sie wichtig sind. Dass ihre Körper es verdienen, gesehen zu werden. Dass das, was sie als Fehler ansehen, einfach das ist, was sie ausmacht, und das sie weder richtig noch falsch sind. Dass es ihnen nicht Schaden zufügt, ihre Körper zu zeigen. Dass ihre Brüste anderen Menschen nicht weh tut, und ihre Bäuche und Schenkel auch nicht. Dass ihre Nacktheit sie zwar verletzlich macht, sie dadurch aber keine Schuld auf sich laden. Und nicht zuletzt, dass ihre Körper sie durchs Leben tragen, und dass man sie liebevoll und sanft behandeln sollte. Ich hoffe, das ist angekommen.“

Bei mir als Beobachterin ist die Botschaft auf jeden Fall angekommen– ich hätte am liebsten alle Fotos gepostet. Für alle, die nicht genug von diesen Frauen bekommen können: die vollständige Galerie kann man sich hier ansehen

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Save the Date: Body-Love-Workshop 11. & 16.10. Berlin

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Immer mehr Frauen – aber auch Männer – sind mit ihrem Körper unglücklich. Kein Wunder, wir leben in einer Gesellschaft, in der die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper fast schon zum guten Ton gehört. Eine Entwicklung, die mehr als bedenklich ist: die Zahl der Essstörungen und Körperwahrnehmungsstörungen nimmt immer mehr zu, und immer mehr Menschen fühlen sich in ihrem Körper gefangen und von ihm entfremdet, landen in einer Warteschleife zum eigenen Leben, und selbst, wenn sie nur eine leichte Dauerunzufriedenheit empfinden, raubt es ihnen Energie und Lebensqualität.

Gleichzeitig entwicklelt sichweltweit aber eine Bodylove-Beweegung, die sich dem ungesunden Körperbildern entgegenstellt. Warum Bodylove so wichtig und geradezu revolutionär ist, diskutiere ich gemeinsam mit Plus-Bloggerin, Sytlistin und Aqua-Zumba-Lehrerin Maria González Leal (Body Mary) im Rahmen der Woche der Seelischen Gesundheit in Berlin. Der Titel unserer beiden Workshops heißt: “Radical Bodylove” – Warum uns unsere Schönheitsideale krank machen und wie man lernt sich selbst zu lieben.“ Wir diskutieren die Gründe und Hintergründe für die Unzufriedenheitsepidemie, beleuchten, warum so wenige Frauen ihre Körper wirklich mögen und warum wir mit unseren Körper immer unglücklicher werden. Wir berichten über die neue Body-Love-Bewegung, und unsere persönlichen Lösungen und Strategien, um sich in sich und mit sich wieder glücklicher zu fühlen …

Wann: Am 11. Oktober 2014 von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr und am 16. Oktober 2014 von 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr

Wo: PHANTALISA – Raum für Mädchen und junge Frauen, Kadiner Straße 9 in 10243 Berlin-Friedrichshain

Eintritt: Freie Spende

Mehr Info: 8. Berliner Woche der Seelischen Gesundheit und demnächst hier

 

Girlcrush: The World Famous *BOB*, Burlesque-Diva (Teil 2)

 The World Famous *BOB* – (c) Deidre Schoo
The World Famous *BOB* – (c) Deidre Schoo

Teil zwei meines Interviews mit der New Yorker Burlesque-Ikone – über Rollenbilder, Dankbarkeit und süße Tierchen (Teil eins hier)

VIE: Du lässt das Thema Selbstliebe auch in deine Kunst einfließen …

World Famous *BOB*: Ich kann das gar nicht trennen – meine Kunst führte mich zu Selbstliebe, und als ich das erkannte, arbeitete ich das Thema mehr und mehr in meine Kunst ein, um mit Hilfe meiner Performance meine Geschichte zu mit den Menschen teilen.

Was hat dich zu deinen Ultimate Self Confidence (Ultimatives Selbstbewusstsein)-Workshops geführt?

Ich kam durch Jo Boobs Weldon dazu, die Direktorin und Gründerin der New York School of Burlesque und Autorin des Burlesque Handbuchs. Ich kenne sie seit 18 Jahren, aus meiner Performance Zeit – sie hat damals schon Burlesque gemacht, und einen ganztägigen Burlesque-Kurs unterrichtet – Tanz, Schminke und alles. Jo fragte mich irgendwann, ob ich eine halbe Stunde davon übernehmen will. Also dachte ich, ich unterrichte Selbstvertrauen. Als ich jünger war, hatte ich praktisch kein Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, und hatte lange darum gekämpft – es ist manchmal immer noch ein Kampf, und ich fordere mich immer wieder heraus, damit die verbliebenen Stellen und Depots an mangelndem Selbstvertrauen sichtbar werden, weil ich so nach und nach all meine Ängste in Selbstakzeptanz verwandeln kann. Ich höre also auch heute nicht auf.

Ich begann also, an der School of Burlesque zu unterrichten, und wurde ich süchtig danach – es war so aufregend.

Wie kann man sich deinen Workshop vorstellen?

Ich unterrichte in meinen „Workshop für ultimatives Selbstvertrauen“ Frauen – das heißt, alle Menschen in Frauenkörpern. Mir ist das wichtig, damit ich allen Teilnehmerinnen einen sicheren Raum bieten kann. Es gibt Menschen in Frauenkörpern, die sich nicht als Frau empfinden – die sind willkommen, genauso wie transsexuelle Frauen nach der OP.

Details verrate ich nicht, nur soviel: Es ist eine intime Erfahrung, höchstens zwölf bis vierzehn Frauen, die im Rahmen des Workshops diverse „Werkzeuge“ bekommen, die die sie nach dem Kurs benützen können, um Schritt für Schritt dorthin zu kommen, wo sie sein wollen – und der Mensch werden können, der sie sein wollen.

Man muss dazu aber nach NY kommen, beziehungsweise einen deiner Kurse besuchen, die du gibst, wenn du unterwegs bist.

Am liebsten würde ich mich ja klonen (lacht). Ich kann anderen nicht beibringen, meinen Kurs zu unterrichten, ich muss selbst da sein.

Kannst du dir vorstellen, auch online zu unterrichten?

Ich möchte sehr gerne live Onlinekurse machen, aber dazu muss die Technik noch besser werden – ich will nicht mitten im Unterrichten unterbrochen werden.

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The World Famous *BOB* in action bei der Burlesque Show nach der Body Love Conference in Tucson (c) Roland Bosma

Erzähl mir von deiner Kampagne Body Love Realness.

Man hat mich im April eingeladen, bei der Body Love Conference zu sprechen. Ich finde es sehr inspiriert, die Leitfiguren dieser Bewegung zusammenzubringen. Body Love Realness ist mein Beitrag, ein Forum für die Anführerinnen in Sachen Bodylove und Selbstakzeptanz, um online zusammenzuarbeiten, und dann auch in Person. Es geht um den Wunsch, eine wirkliche Verbindung in Sachen Body Love zu haben, und es ist auch eine Anspielung auf den Begriff „realness“ der amerikanischen queer-Community, im Sinne von schwulen,- lesben,- und transgender-freundlich.

Zum Thema pleasure, also Vergnügen: Was bereitet Dir Freude?

Es geht darum, anwesend sein, im Moment zu leben – das Gestern ist vergangen. Nur wenn ich wirklich anwesend bin, kann ich wirklich Vergnügen empfinden. Eine echte Verbindung erschaffen – spirituell oder geistig oder sinnlich. Ein authentischer Moment ist das größte Vergnügen für mich, ob in der Natur, mit Menschen oder mit Tieren (ich liebe Tiere so sehr!) Und Nachtisch, das liebe ich auch.

Wer sind deine weiblichen Vorbilder?

*BOB* mit der leider vor kurzem verstorbenen Burlesque-Legende Dixie Evans
*BOB* mit der leider vor kurzem verstorbenen Burlesque-Legende Dixie Evans

Meine Sheroes (Anm: Verbindung aus she und hero, sie und Held) sind Frauen, die durch ihr Beispiel vorangehen.

Da ist zuerst einmal Dixies Evans, die Marilyn Monroe des Burlesque. Sie ist ein riesiges Vorbild, weil sie die Flamme des Burlesque am Leben gehalten hat, nachdem die Medien und alle anderen sich davon abgewandt haben. Jetzt ist diese Kunstform wieder sehr beliebt, und ich rate jedem, der sich mit Burlesque beschäftigt, Dixie zu recherchieren. Sie hat das einzige Burlesque-Museum gegründet und betrieben, und das Erbe und die Geschichten bewahrt. Sie hat die Miss Burlesque-Messe in Las Vegas gegründet – und sie war auch eine sehr sexy Tänzerin – siehe ihre Videos auf Youtube.

Burlesque-Performerin Dirty Martini ist auch eine meiner Sheroes. Sie hat mir gezeigt, was möglich ist. Dirty kennt das Wort nein nicht – ich sage immer, das Wort perlt von ihrem G-String ab. Dann Mae West, weil sie ein Stück namens Sex geschrieben hat und dafür sogar ins Gefängnis gegangen ist. Jayne Mansfield ist eine visuelle Ikone, und sie war sehr smart, obwohl man es nicht weiß – das war in den 50-er nicht unüblich. Dann noch Jean Harlow – und Dolly Parton, auch eine meiner Heldinnen. Sie ist nicht nur unglaublich talentiert und authentisch, sie macht auch sehr viel, um anderen zu helfen. Sie ist eine spirituelle Inspiration, jeden Morgen lese ich ein Zitat von ihr – Dollyluja! An meinem 40-er war ich in Dollywood (Anm: Dolly Parton-Vergnügungspark), auf einer „spirituellen Reise“.

(Burlesque-Diva Dixie Evans, 50-er Jahre)

Was heißt Plus Size Lifestyle für dich?

Mein Lifestyle passt in keine Kategorien. Ich habe einen World Famous Lifestyle – nicht fake, sondern authentisch.

Ein paar Online- Lieblingsressourcen?

Barenecessities.com – ganz tolle Unterwäsche

Modemerr Clothing Süße, Vintage-inspirierte Sachen bis Größe 52 – und man kann sie rollen, und sie knittern nicht. Wichtig – wenn ich reise, muss ich gut ansehen-

Cute overload – wenn ich müde oder traurig oder sauer bin, hilft es mir, süße Tiere anzuschauen.

Dir ist Selbstliebe nicht nur bei verschiedenen Körpertypen wichtig, sondern auch bei verschiedenen Altersgruppen …

Es ist so wichtig, ältere MitbürgerInnen zu ehren – jeder will alt werden, aber keiner will alt sein. Wenn das Leben ein Rennen ist, sollte man bei der Ziellinie jubeln. Im Moment ist es aber so, dass es bei den meisten Menschen gegen die Ziellinie hin sehr still wird.

Unsere Jugend-bessene Kultur mit all ihrer überwältigenden, wenn auch hilfreichen Technologie übersieht, dass das Alter Wertvolles mit sich bringt. Wir verlieren durch die Technik manchmal etwas den persönlichen Kontakt, und gerade die älteren werden ausgelassen, weil sie sich nicht mehr auskennen, Angst davor haben. Bei allen unseren Kämpfen gegen Rassismus und für die Rechte von Homosexuellen und gegen die Diskriminierung verschiedener Körpertypen dürfen wir nicht auf unsere älteren Menschen vergessen.

Was sind deine Lieblingsworte, um deinen Körper zu beschreiben?

Das ist eine sehr gute Frage. Ohne Limits. Reich. Monumental. Wenn ich auf der Bühne bin: Non Stopp. Mein Körper hat keine Beschränkungen. Man denkt, es ist aus, und ich drehe mich um, und es geht noch weiter.

Außerdem: Dankbarkeit. Ich habe viele Drogen und Alkohol konsumiert, und bin seit 17 Jahren clean, und bin meinem Körper so dankbar. Ich habe ihn so viele Jahre lang missbrauch, und er ist immer noch da, und unterstützt mich. Ich habe mich und meinen Körper so lange gehasst – mein Körper war ein Gefängnis, ein Käfig, eine Verurteilung dazu, mein Leben lang weniger wert zu sein. Ich habe es gehasst, eine Frau zu sein. Außerdem auch noch dazu eine rundere Frau zu sein, das war doppelt hart. Du bist nicht nur dieses Angst machende Ding, sondern auch noch eine Version davon, die nicht anerkannt wird. So über meinen Körper zu denken und dem Schmerz lange Zeit mit Drogen zu entkommen versuchen, und dann durch die Dunkelheit durchzugehen und an einem Ort anzukommen, wo ich im Stande war, mit meinem Körper Freundschaft zu schließen – das macht mich wirklich dankbar. Viele in meinem Umfeld haben es nie durch die Dunkelheit geschafft, und sind tot. Dass ich es geschafft habe, ist ein Segen. Es ist kein Zufall – ich habe einen Auftrag.

 

Lesetipp: Dossier Fett for Fun, Missy Magazine

(c) Rhea Krcmarova
(c) Rhea Krcmarova

Wenn ich mich durch die Frauenmagazine blättere, fällt mir jedes Mal auf, dass Frauen jenseits von Größe 44 seltener vorkommen als geistig stabile Hutmacher in Alices Wunderland (schon Frauen, die mehr als Größe 38 haben, sind rar zwischen den Parfumwerbungen und unvermeidlichen Diätkatechismen). Eine rühmliche Ausnahme bildet die Sommernummer des Missy Magazine. Unter dem Titel Fett for Fun beschäftigen sich auf 18 Seiten Journalistinnen und Fotografinnen mit dicken Frauen und der Bedeutung des Begriffes „fett“ in unserer Gesellschaft – und das auf eine Weise, die für deutschspracheige Medien geradezu radikal anmutet. So wird nicht nur über Menschen mit dem gewissen Plus gesprochen. Dicke kommen sogar selbst zu Wort, und beleuchten diverse Themen, von zunehmender Selbtliebe, vorurteilsbehafteten Halbgöttern in Weiß, fettverachtenden Nörgelmuttis und gelegentlichen Rückfällen in teufelskreisende Diätgedanken. Vorurteilen wird mit einer Linksammlung entgegenet, und eine Doppelseite erforscht das Dicksein in der queeren Szene, und wie sich lesbische Dicke zwischen Bärten, Bären und Bäuchen fast angenommener fühlen als unter queeren „Normalgewichtigen“. Das Dossier wird mit Bildern deutscher Plus-Bloggerinnen illustriert, die in Sachen Stil ihren schlanken Schwestern um nichts nachstehen.

Eine Schlanke kommt auch zu Wort. Kerstin Grether, die selbst lange an Magersucht litt, beleuchtet, wie und warum der Hass auf Fett auch für die Dünnen schädlich ist – etwas, was noch viel stärker thematisiert werden sollte.

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Wer also nach einer Lektüre für Strandbad oder Balkongechille sucht, dem kann ich die aktuelle Missy mit gutem Gewissen empfehlen. Es bleibt nur zu wünschen, dass die Fettenfreundlichkeit keine einmalige Sache bleibt, und üppige Mädels ab jetzt öfter in der Missy vorkommen. Dass Frauen wie ich zwar nicht (nur) in abgesonderten Dossiers präsentiert werden, sondern regelmäßig auch den Weg in den Rest des Heftes finden. Wie eben andere normale Frauen auch.

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Projekt Accept Every Body

 

(c) http://blog.bhlounge.de/
(c) http://blog.bhlounge.de/

Na also: die Body Love Bewegung erreicht langsam auch Mitteleuropa. Gerade gefunden:das ausgesprochen nette BH-Lounge-Blog, die das Projekt Accept every body ins Leben gerufen haben. george und Anne, die beiden Bloggerinnen, haben es satt, dass Medien und Gesellschaft Menschen immer stärker in eine Norm pressen wollen. „Body Positivity heißt für uns, nicht sofort der Norm das Recht über das Individuum einzuräumen, sondern zu versuchen eine Person erst einmal als ‘einzeln’ und ‘besonders’ zu betrachten“, schreiben sie. Und sie machen sich nicht nur Gedanken, sondern haben im Zusammenarbeit mit einem Profisprecher auch gleich ein Video erstellt, dass ihren Standpunkt richtig schön deutlich macht.

„Unser erstes Video zum Projekt Accept Every Body zeigt, wie wir uns beim näheren Betrachten des uns ständig umgebenden Schönheitsterrors gefühlt haben: Geblendet. Gegängelt. Und irgendwie veralbert. Wenn es nach der Schönheitsindustrie geht, sollen wir uns auf einen Normkörper herauf- oder herunterhungern und wenn wir das nicht schaffen, bitteschön zuschneiden lassen. Dabei wäre nichts langweiliger, als vollkommene Gleichheit. Gerade die kleinen oder großen Unterschiede machen uns zu Menschen und besonders. Und das ist doch etwas sehr Schönes.“

Wunderschöne Gedanken. Ich bin schon gespannt, was die beiden als nächstes auf die Beine stellen …

Girlcrush: Virgie Towar, Fashionista und Aktivistin

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Virgie Tovar, selbstbewusste Kurvenfrau (alle Fotos (c) Virgie Tovar)

Sie ist farbenfroh und engagiert, auffällig und klug, wunderbar selbstbewusst und witzig: Virgie Tovar, amerikanische Autorin und Aktivistin. Ich bin bei meiner Recherche für meinen Roman auf Virgie und ihre Arbeit gestoßen, und freue mich, sie hier vorstellen zu können. Virgie ist eine der führenden US-Expertinnen auf dem Gebieten Körperbilder und Dickendiskriminierung, Herausgeberin der Anthologie „Hot & Heavy: Fierce Fat Girls on Life, Love and Fashion“ (etwa: Heiß & schwer: Dicke Powerfrauen über Liebe, Leben und Mode) und hält Vorträge an diversen großen Unis. Medien wie Huffington Post, Bust Magazine, MTV und Al Jazeera berichten regelmäßig über ihre Arbeit. Sich selbst beschreibt Virgie als „fabelhafte fette Frau, die in San Francisco lebt.“ Sie liebt die Farbe pink, Glitter, Tiramisu, Bikinis und Chihuahuas, die so winzig sind, dass sie in Teetassen passen. Ich freue mich, dass sie Zeit gefunden hat, mit mir über Mode und Selbstliebe und die Wichtigkeit von erotischen Kurzgeschichten zu reden.

VIE: Du siehst auf Fotos immer so fierce aus. Wie hältst du es mit Stil und Mode?

Mein Stil wird von Miss Piggy und Dolly Parton beeinflusst, von den Diven der Seifenopern der 80-er (wie Dynasty und Twin Peaks), und definitiv auch von Street Fashion. Ich beschreibe meinen Stil als „hochgradige feminines, überdrüber kitischiges molliges Sexkätzchen mit Attitüde“. Ich liebe Wildtiermuster, alles rosafarbene oder/und alles mit Süßigkeiten und mit Tierchen drauf (am besten alles zusammen), Bleistiftröcke und Bademode (Fatkinis). Ich ziehe mich an, um gesehen zu werden. Bei dicken Frauen ist das Gesehen werden ein politisches Statement. Ich sehe meinen Körper als Leinwand. Je größer der Körper, desto größer die Leinwand, auf der man sich selbst ausdrücken kann. Ich liebe riesigen Schmuck, leuchtende Farben, auffällige Muster, bauchfreie Tops, kurze Röcke, und ich mag es, meine Lieblingslooks mit ein paar Zentimetern an Dekolletee, riesigen Sonnenbrillen und hochglänzendem Lipgloss abzurunden. Wenn die Sonne scheint, ist ein Sonnenschirm PFLICHT.

Was heißt Plus Size Lebensstil für Dich?

Für mich ist es der einzigartige Lebensstil, der mir ermöglicht wird, weil ich überlebensgroß bin. Es ist das Bewusstsein, dass mein großer und üppiger Körper nicht nur einzigartig und schön und interessant ist, sondern auch kraftvoll und mächtig. Es ist ein Lebensstil, wo ich die Regeln aufstelle. Ich bin kein „gutes Mädchen“, das jemandem anderen erlaubt, zu bestimmen, was sie essen soll oder welche Kleidergröße ihr Körper haben soll. Mein Leben ist voll von Freunden und Geheimnissen, dekadenten Desserts und fabelhaften Outfits!

Virgie weiß, was ihr steht, und was ihr Spaß macht …
Virgie weiß, was ihr steht, und was ihr Spaß macht …

Hast du dich immer schon geliebt, und wenn nicht, wie hast du es gelernt?

Ich glaube fest daran, dass jeder sich am Anfang selbst liebt. Oder wir beginnen unser Leben noch einfacher, sind uns unseres Körpers nicht besonders bewusst und legen keinen besonderen Wert auf seine Form und Fähigkeiten. Uns ist völlig bewusst, was wir brauchen: Liebe, Essen, gebadet werden, vielleicht ein paar Spielsachen. Mein Körper war nicht von Anfang an mein Feind, aber man hat mir über Jahre beigebracht, meinen Körper zu hassen. Man hat mir beigebracht, dass mein Körper eine riesige Schande war und dass mich niemand lieben oder begehren oder auch nur interessant finden würde, weil ich fett war. Weil es in meinem Leben so viele Menschen gab, die mir alle das gleiche erzählten, fing ich an, ihnen zu glauben. Lange Zeit – zu lange – habe ich geglaubt, dass mein fetter Körper das schlimmste an mir sei und in mir eine dünne Person lebte, die verzweifelt versuchte, sich aus mir herauszukämpfen und ein „wirkliches“ Leben zu leben. Ich war ständig auf Diät. Ich habe wie besessen trainiert. Ich habe versucht, mich zu Tode zu hungern, habe am Ende sogar Skorbut bekommen, was verdammt furchtbar war. Dabei habe ich zu der Zeit gerade in Italien gelebt, was das Ganze besonders furchtbar gemacht hat. Ich war derart überzeugt, dass mein Körper wertlos und hässlich war, und ich habe ihn zu keinem Zeitpunkt geliebt.

Mit Anfang 20 hatte ich einen großen Moment der Erkenntnis, als ich auf Diät war (ich hasste es, Diät zu halten, aber ich war süchtig danach, abzunehmen). Ich begann mich zu fragen: Wie lange noch? Wie lange muss ich noch so leben? Wie viele kuchenlose, käselose, milkshakelose Tage noch, bis ich aufhören kann? Ein Jahr? Nein. Zwei Jahre? Nein. Fünf? Nein. Zehn, Zwanzig? Nein. Nein. Ich würde bis an mein Lebensende so weiter machen. Und in diesem Moment war mir klar, dass das die Antwort war. Trotzdem hat es auch nach diesem Erlebnis noch ein paar Jahre gedauert, bis ich wirklich beschlossen habe, nie mehr Diät zu halten. Und, so glücklich mich das machte, der Entschluss machte mir auch Angst. Ich hatte mein gesamtes Leben damit verbracht, für den Traum zu leben, eines Tages schlank zu sein. Es sich schwer, einen so großen Teil seines Lebens loszulassen. Es war aber eine Entscheidung zwischen diesen beiden Aussichten: Ich konnte entweder mein Leben zerstören, in dem ich dem Traum verfolgte, dünn zu sein. Oder ich konnte die Ideologie zerstören, diese Ideologie, die so viele Frauen dazu bringt, sich zu hassen. Ich habe mich für zweiteres entschieden, und kann mir gar nicht mehr vorstellen, mich anders entschieden zu haben.

Sexy Bademode? Virgie trägt sie …
Sexy Bademode? Virgie trägt sie …

Was liebst du an dir?

Ich liebe mein Lächeln. Ich liebe es, wie ich in einem kurzen Blümchenkleid aussehe. Ich liebe meine süßen Zehen, die Tatsache, dass jede ein bisschen kleiner ist als die vorangegangene. Ich liebe es, dass mein Haar am besten aussieht, wenn ich gerade aus dem Ozean komme, oder wenn ich es nach dem Duschen lufttrocken lasse. Ich liebe es, wenn meine Brüste sich bewegen. Ich liebe meine großen Brillen. Ich liebe meine süßen kleinen Lippen. Ich liebe meinen Bauch, und die zwei Falten, die er hat. Ich liebe meine starken Beine. Ich liebe es, wie meine Haut bräunt und den perfekten Oliveton annimmt, wenn ich in der Sonne war. Ich liebe es, wie ich in türkis und in orange aussehe. Ich liebe es, wie meine Augen aussehen, wenn ich flirte. Ich liebe es, wie meine Stimme klingt, wenn ich verliebt bin. Ich liebe es, wie sich Sand zwischen meinen Zehen anfühlt. Ich liebe es, dass ich bei Keksen am Geruch erkenne, dass sie fertig sind. Ich liebe es, dass ich keine Angst habe, mich für gewaltige Aufgaben zu verpflichten. Ich liebe es, dass mein Lachen andere zum Lachen bringt. Ich liebe die Worte, die ich erfinde. Ich liebe es, dass mich die meisten Sachen neugierig machen. Ich liebe es, dass ich so viel attitude und Kampfgeist in mir habe.

Was ist die Story hinter dem Hot&Heavy-Buch?

Die Geschichte ist lang, aber das Buch ist essentiell Magie.

Es ist die Sammlung sehr persönlicher Geschichten von 31 Frauen, von ihrem Entschluss, sich aus der Kultur von Diäten und Selbsthass auszuklinken. Es sind Frauen verschiedener Kleidergrößen, die aber alle finden, dass das Wort fett und die Diskriminierung der Dicken ihr Leben beeinflusst haben. In den Geschichten geht es um Sex, Mutterschaft, Dates, Mode, Krebs, das Altern, Yoga, und um den Kampf, dich selbst zu lieben, und das in einer Kultur, die dir sagt, dass du niemals genügen wirst.

Welche Frauen findest du inspirierend, Plus-Size und auch sonst?
Miss Piggy, Margaret Cho, Amber Riley, Ricki Lake, Audre Lorde, Michelle Tea, Queen Latifah, bell hooks, Jackie Wang, Alison Jolly, Deb Burgard, Marie Denee (The Curvy Fashionista), Chastity Garner (Garner Style) – so viele !

Süß und selbstbewusst in Shorts …
Süß und selbstbewusst in Shorts …

Tipps, wie man mit hatern (also negativen, hasserfüllten Menschen) umgehen kann?

Wenn ich etwas gelernt habe, dann, dass man die Hasser öffentlich beschämen muss. Ich habe es mir abgewöhnt, mit dem Finger auf sie zu zeigen, sie anzustarren, ihnen die Zungen rauszustrecken, sie an- und auszulachen, über die zu bloggen, und sie zu fotografieren, wenn immer es geht. Die Hasser scheinen es zu hassen, fotografiert zu werden, also mache ich das am Liebsten.

Hast du Tipps für Plus-Frauen, die sich noch nicht sexy/sinnlich fühlen?

Einer meiner Lieblingstipps ist, Erotika zu schreiben, die sich um dich drehen, und um den Körper, den du jetzt hast. Viele Frauen stellen sich ihren Körper anders vor – jünger, fester, dünner, was auch immer. Ich ermutige Frauen, die Körper, die sie jetzt haben, als heiß, sexy und als richtig anzusehen. Wenn du Dessous magst, ziehe sie an. Lege sexy Musik auf. Wenn du Wein trinkst, gieße dir ein Gläschen ein. Eine Stunde lang darfst du den Stift nicht vom Papier heben. Schreibe eine Geschichte über dich, aus der Sicht von jemandem, der dich zutiefst begehrt, und zwar so, wie du gerade bist. Schreib über deinen Körper, deinen Körper, deine Schenkel, und zwar mit Worten, die sie vergöttern. Schreib über die Teile, die zu mögen du Schwierigkeiten hast. Schenk dir in dieser Story ganz viel Vergnügen. Schreib solche Geschichten, so oft du kannst. Lies sie. Sieh, wie sich das beeinflusst.

Bikini-Body, mit obligatorischem Sonnenschirm
Bikini-Body, mit obligatorischem Sonnenschirm

Abgesehen von deinem Blog – was sind deine Lieblingsressourcen.

Curvy Girl Lingerie

The Militant Baker

Decolonizing Yoga

Plus Size Mommy Memoirs

Louise Green

Isabel Foxen Duke

The Curvy Fashionista

Garner Style

Was planst du für die Zukunft?

Ich habe gerade die #LoseHateNotWeight (verlier den Hass, nicht das Gewicht)-Kampagne ins Leben gerufen, und plane für den Sommer 2015 ein interaktives Online-Programm mit diesem Titel. Mein Ziel ist es, mit diesem Programm bis 2020 zehntausend Frauen zu erreichen. Dieses Programm legt den Schwerpunkt darauf, das Verhältnis von Frauen zu ihrem Körper zu ändern, und den Frauen Werkzeuge mitzugeben, um Selbsthass ein für alle Mal loszuwerden. Ich suche dafür gerade Sponsoren und neue Kontakte. Für Neuigkeiten zu diesem Projekt kann man sich auf meine Mailingliste anmelden.

Wenn man mich unterstützen will, kann man den Hastag #LoseHateNotWeight via Social Media verbreiten, sich für meine Mailingliste anmelden, und sich to & Heavy : Fierce Fat Girls on Life, Love and Fashion kaufen – das Buch gibt es als Taschenbuch, ebook und seit neuestem auch als englisches Hörbuch.

Danke für das Gespräch.
Danke auch!

#losehatenotweight
#losehatenotweight

PS: Noch mehr Girlcrush-Interviews hier